die katrin

my photography & other stuff

Gewappnet.

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visitenkarten

Seit Wochen schleiche ich um sie herum. Gelegenheiten. Momente. Ausdrücke. Ganze Geschichten, die sich in einem Gesicht widerspiegeln. Wie der alte Mann neulich in der Straßenbahn. Er war alleine unterwegs. Ich schätzte ihn auf Mitte, Ende sechzig. Weißes Haar. Der Körper leicht vornüber gebeugt. Seine Gesichtszüge haben von Sorgen erzählt. Sein Blick folgte dem Trubel um ihn herum mit einem Lächeln in den Augen. Ich selbst stand 2 Reihen weiter hinter dem Fahrkartenknipsdings, angelehnt an die Lamellenverbindung zwischen den Waggonteilen. Ich sah ihn in diesem Rahmen. Ein Moment. Ein Ausdruck. Eine Gelegenheit.

Ich ließ sie verstreichen. Ich machte mir Gedanken darüber, was die anderen Fahrgäste von mir denken würden, wenn ich jetzt auf den Auslöser drücke. Das Gespräch mit dem alten Mann hatte ich bereits im Kopf. “Entschuldigung, darf ich kurz stören. Ich habe gerade ein Photo von Ihnen …” Er war mein Mittelpunkt, ich hätte nur mit ihm gesprochen, aber die anderen wären auch auf dem Bild gewesen – erkennbar.

Aber auch das Gespräch mit dem Mann. Es fehlte noch etwas. Wie bei dem Mann gestern auf der Tucholskystraße. Er saß im Schatten an einem Tisch. Das glückliche Lächeln auf den Bildschirm gerichtet. Auch er hatte die 50 bereits hinter sich gelassen. Auch ihm stand ein Leben ins Gesicht geschrieben. Auch bei ihm dachte ich über das potenzielle Gespräch nach. Die Kamera hatte ich im Anschlag. Auch das Motiv war gut. Aber wieder fehlte etwas. Das Gewappnetsein. Und eine Karte.

Seit heute habe ich alles beisammen. Die erste Karte habe ich heute mittag vergeben.

Mein Dank geht an Christoph. Ohne die offene Beschreibung seines Zugangs zur Street Photography hätte ich wohl kaum so schnell den Mut aufgebracht. “Freundlichkeit und Offenheit” – selbst wenn das Bild nichts geworden ist. Auch das habe ich heute gemacht. Ein Ehepaar und der Vater von einem der beiden Ehepartner. Ich habe gemerkt, dass der Vater in meine Richtung blickte, als ich das Bild schoss. Er schaute gleich wieder weg. Ich wusste nicht, ob er sah, dass ich ein Photo von ihnen geschossen hatte. Das Bild wurde nichts, ich habe es sofort wieder gelöscht. Aber ich bin dennoch hingegangen, um ihnen davon zu erzählen. Angriff ist die beste Verteidigung. Sie haben es mit Erstaunen und einem Lachen angehört.

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