Ich bin nicht authentisch.
Autor und Inhalt stimmen überein und geben nicht vor, etwas anderes zu sein als sie sind. (Cem Basman, via)
Was mach ich denn jetzt? Ja, liebes Publikum, ich bin mitnichten die, die ich vorgebe zu sein. Mein real-life-Name lautet vollständig anders. Ich bin ein gekünsteltes Produkt. Das hier sind die Wirklichkeit verstümmelnde Ausschnitte. Gelegentlich sogar frei erfundene Geschichten.
Ok, ok. Jetzt tu’ ich dem Herrn Basman doch ein wenig Unrecht. Worum es ihm ja eigentlich geht, ist Glaubwürdigkeit und das Originäre. Das sind Maßstäbe, die sich auf den Inhalt von Beiträgen beziehen. Die Beurteilung findet durch den Leser statt. Jeder für sich hat eine gewisse Empfindung darüber, ob ein Post oder ein Blog “die Welt aus einer persönlichen und ehrlichen Sicht” darstellt. Diese ‘gewisse Empfindung’ ist jedoch nichts, das mit einem “sei du selbst”-Rückbezug durch den Schreibenden vollständig zu lösen wäre. Neben der Besinnung auf die eigenen Interessen und Standpunkte, ist die Verwendung der sprachlichen Zeichen in Äußerungen und das sich-Positionieren in den Diskursen der eigentlich ausschlaggebende Faktor für das, was dann als glaubwürdig und originär gesehen werden kann.
Authentisch im Sinne von originär wird dann verwendet, wenn ein Individuum abseits der gerade gültigen Normen agiert, sich gegen herrschende Meinungen positioniert und damit eine Form der Kritik ausübt. Ein Text – egal ob Literatur, Blogpost, Musik oder Film (ja, das ist ein sehr weiter Textbegriff, siehe auch der erste Satz bei Wikipedia) – ein Text wird dann als authentisch bezeichnet, wenn Bezeichnungen für Sachverhalte und/ oder Themen enthalten sind, die gerade nicht von allen anderen verwendet werden. Sie erscheinen als neu bzw. als echt, sind aber bei näherer Betrachtung lediglich mit derzeit ungewöhnlichen Worten beschrieben und auf Grund der ungewöhnlichen Worte werden andere (nicht neue) Perspektiven des Sachverhalts beleuchtet.
Und wozu jetzt der ganze Schmonz? Der Begriff /authentisch/ ist so schwammig in seiner Bedeutung und so vielfältig in seiner Anwendung, dass mensch immer hinzufügen muss, was gemeint ist. Dann kann es auch gleich aus dem Wörterbuch gestrichen werden. ‘Authentisch’ ist eine Kategorie, die mittlerweile mehr über den aussagt, der es verwendet, als über den, den es bezeichnet. Als authentisch bezeichnen Plattenfirmen ihre Bands, wenn sie eine Marketingstrategie brauchen. Als authentisch bezeichnen Rezensenten Literatur, wenn sie mal Texte lesen, deren Inhalt nichts mit ihrem eigenen Leben zu tun hat, bei denen sie das Gefühl haben, jetzt etwas über “das wahre Leben” gelernt zu haben. Das Schicksal dieses Wortes ist ein tragisches. Es wird benutzt und ausgenutzt, missbraucht und verdorben. Ich werde es jetzt wieder in seinen Dornröschenschlaf schicken. Ruhe sanft, liebes authentisch.