die katrin

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Orte und ihre Erinnerungsbilder.

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Die Verknüpfung von Orten oder Gegenständen mit gewissen semantischen Konzepten ist ein altes Spiel der Rhetorik. Sollst du eine freie Rede halten und verfügst jetzt leider mal so gar nicht über ein Elephantengedächtnis, stellst du dich einfach vorher in den entsprechenden Raum und verknüpfst die vorhandenen Gegenstände mit deinen Gliederungspunkten. Das Fenster über der Tür ist dein Einstieg in die Rede – so als kommst du von außen den Gang entlang und siehst durch das Fenster, ob im Raum Licht und Leben ist. Ist dort Licht, gehst du hinein. Neben der Tür ist eine Halbsäule, von der Wand in den Raum ragend – sie ist deine Überleitung in den Hauptteil der Rede. Und so weiter und so fort. Im Ergebnis denkst du beim Anblick des Fensters an die Worte deiner Einleitung.

Ähnliches erlebe ich beim Laufen und Fahren durch Berlin. Das Konzept “Orte der Erinnerung” funktioniert auch im Persönlichen bestens. Die Sparkasse Danziger/ Greifswalder ist belegt mit dem Gesicht eines jungen Mannes, den ich vor rund sieben Jahren kennen lernte. Bei unserem ersten Zusammentreffen hatten andere den Eindruck, wir würden uns seit Jahren kennen. Wir quatschten, tauschten uns aus, lachten. Es war eine intensive Zeit. Zu intensiv. Ein paar Wochen lang verbrachten wir unsere Zeit. Bis er auf einen anderen jungen Mann traf, der sein Freund wurde – und er sich von uns allen, nicht nur von mir, langsam, aber stetig entfernte. Anfangs noch hatte ich eine Serie von Bildern im Kopf, wie er auf der anderen Straßenseite steht. Ich nähere mich, er erkennt mich, lächelt und winkt. Irgendwann ist dies zu einem kognitiven Aufploppen des Namens reduziert. Jetzt, nach all diesen Jahren, ist diese Ecke ein Ort neuer Erlebnisse. Ich wohne jetzt hier. Mein neuer Stammkiosk ist gleich neben der Sparkasse. Keine zwei Monate und der Inhaber und ich sind per du. Gibt ja sicher auch nicht viele, die mit einem “1x Mascotte, bitte. Nein, nicht die Muscote, sondern die da drüben neben den weißen ocb.” rumnerven. Es ist auch der Ort, an dem ich eine der entspanntesten Mitarbeiterinnen einer Bank erlebt haben werde. Es ist ein Ort, den ich jetzt tagtäglich durchlaufe.

Ein anderer Ort ist die Haltestelle Mollstraße/ Otto-Braun-Straße. Diese Doppelhaltestelle, wenn man vom Alex kommt und Richtung Norden oder Osten fährt. Diese Straßenecke ist ein provinzieller Umsteigebahnhof für mich. Da ist nichts. Einfach gar nichts. Ein große Kreuzung für die Autos. Der 100er hatte früher mal seine Endhaltestelle dort. Das weiß ich aber auch nur von den Anzeigen auf den Bussen. Wie einen Ground Zero habe ich diesen Ort durchfahren. Jetzt muss ich jedes Mal daran denken, wie ich an diesem einen Abend nach dieser einen Party durch diese Häuserschluchten hindurch auf diese Haltestelle zugehe. Meine Begleitung und ich setzen uns auf diese schwarzen Metallbänke an der Haltestelle. Ein MezzoMix macht die Runde. Am Ende sind wir doch gelaufen. Glaube ich. Ich kann mich heute schon nicht mehr an die Details erinnern. Irgendwann werde ich vermutlich ‘nur’ noch an diese eine tolle Woche und an meine Begleitung denken. Ich werde in meinem Gedächtnis nach den Details der Party kramen müssen und wie wir eigentlich genau dahin gelangt sind. Aber dieser Ort, dieses Sitzen auf den schwarzen Metallbänken, wird für lange Zeit der Ort einer besonderen Erinnerung bleiben.

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