Es ist jetzt 6:47 Uhr. In drei anderen Wohnungen brennt auch Licht. Zweimal Küche, einmal Bad. Früher war das mal eine Art Spiel von mir. Wenn ich winters um diese Zeit aufstand, stellte ich mich mit meinem Kaffee ans Küchenfenster und betrachtete der Reihe nach die Fenster, hinter denen Licht brannte. Ich ging typische Frühaufsteherberufe durch und überlegte, welche meiner Nachbarn wohl aus welchem Grund zu dieser Zeit aufgestanden waren.
Die Familie mit Kindern im Schulalter war klar. Auf der gleichen Etage wohnte auch die alleinstehende Frau, die auch immer in aller Herrgottsfrühe aufstand. Auf den Technokerl aus dem Seitenflügel, 2. OG, war ebenfalls Verlass. Manchmal brannte im Nebenhaus in einem der Zimmer Licht. Mit einem ersten Blick in die Twittertimeline stellte ich mir vor, dass das Menschenkind dort schon die ganze Nacht über wach sei und demnächst ins Bett kriechen würde.
Dann stellt sich eine Verbundenheit ein. Wie wenn man sonnabends so um 7 Uhr mit der S-Bahn fährt. Die Menge der Reisenden teilt sich in Alkoholleichen und Arbeitende. Ist man Alkoholleiche, denkt man meist gar nichts mehr. Wenn doch, kommt ein bisschen Mitleid auf mit denjenigen, die an diesem Morgen um diese Zeit schon auf dem Weg zur Arbeit sind. War ich auf der Seite der Arbeitenden (Freitag abend schätzungsweise eher früh ins Bett, frisch geduscht, den Kaffee in der Hand), stellte sich ein Solidaritätsgefühl ein. Für sich genommen ist das genauso bescheuert wie das Mitleidsgefühl, aber das nur nebenbei.
Da ich selten unfreiwillig und meist meiner biologischen Uhr folgend um diese Zeit wach bin, muss ich immer leicht schmunzeln. Ich kann die über der Stadt liegende Atmosphäre der Stille, des Vorsichtigen genießen. Es ist als würde jeder darauf achten, nur keinen Laut zuviel von sich zu geben.
Das behutsame Wachwerden gerät sonst in Gefahr.
20. November 2008 at 6:55 PM
und man ist mehr mit sich allein, so früh. aber entweder passt es einem gerade nicht oder man ist zu müde, um sich darüber zu freuen.
20. November 2008 at 11:14 PM
Schonmal von Nachbars-Licht geweckt worden? Wenn so im gegenüberliegenen Fenster (wohl die Küche oder Bad) alle 3min das Licht an/aus geht?
Meine Verwunderung bereits vor dem Radiowecker wach zu sein, kannste dir bestimmt vorsellen.
21. November 2008 at 11:00 AM
@ani*ka: ich kann mich da tatsache drüber freuen. rund um sechs uhr morgens habe ich ein zeitfenster, währenddessen aufstehen – unfassbarerweise – das wohltuendste überhaupt ist.
@andi: das erinnert mich an dieses licht-wecker-prinzip von, ich glaub panasonic. eigentlich eine relativ sanfte methode des gewecktwerdens.
22. November 2008 at 9:23 AM
das gefühl, das du beschreibt, hatte ich als letztes als kind. aber schön. danke!
23. November 2008 at 3:04 PM
Die frühen Morgenstunden sind mir auch am liebsten. Aber das Husten meines Nachbarn, der allmorgendlich versucht mit einem lauten Grunzen seine Lungen von Schleim zu befreien, ist so ziemlich das erste was ich höre, wenn ich erwache. Und da kann ich mir durchaus bessere Laute vorstellen.