stuttgart. eine stadt, die ich nach 1.5 tagen nicht auch nur ansatzweise einordnen kann. wilder architekturmix. nicht einfach nur über die stadt verteilt. hier das viertel mit den altbauten. dort die kleinen reihenhäuschen. hinten die straße hoch ein paar backsteinbauten. nebendran die wilde 60er styroporwestbauweise. (fragt mich bitte nicht, wo das styropor in meiner wahrnehmung herkommt.) nein. stuttgart vereint all das in einer straße. stimmt natürlich nur fürs zentrum. von der autobahn reinfahren und am hauptbahnhof (sandstein, ich vergaß) rausgeschmissen werden. und den rest der zeit im 3km-dunstkreis des schlossgartens verbringen. but believe me, das zentrum habe ich sehr ausführlich kennengelernt in dieser nacht.
die menschen. irgendwann vorher fragte ich andere, welches viertel denn so besuchenswert wäre. man sagte mir, es gäbe keins. das stimmt so nicht. irgendwo hinter dem hauptbahnhof gibt es eins. kennengelernt habe ich es nicht. ich habe die zeit zwischen der lichtbildnerei, einer wohnung 5 straßen hinter dem oberen schlossgarten und einem gebäude, das aussieht wie eine kirche, aber wohl doch eher ein altes verwaltungsgebäude ist, verbracht. inklusive großem frühstück auf den treppen dieses alten gebäudes. nebendran der flohmarktstand. zwischen all dem eine einkaufsmeile, die “noch eine echte einkaufsmeile ist. hier will ich mich mit ‘nem kasten bier hinsetzen und zwischen all den leuten meinen spaß haben.” (o-ton mitbewohner v.)
die menschen. stuttgart’s “in-crowd” (so wurde sie mir vorgestellt) ist verwirrend stylisch. ich habe viele endzwanziger bis enddreißiger gesehen. sie könnten auch genauso in münchen oder im prenzlauer berg rumlaufen. interessanterweise sind mir keine endzwanziger bis enddreißiger aufgefallen, die nicht in dieses schema gepasst hätten. dazu passend die party, auf der ich nachts um zwei gelandet bin. mit ausnahme eines physik/informatik-nerds alle aufgehübscht. auf eine weise, die klar macht, dass sie das jeden morgen nach dem aufstehen tun. klar. davon gibt es in berlin auch genug menschen. vielleicht ist das auffälligste daran gewesen, dass es meine unbewussten erwartungen in grund und boden gestylt hat.
stuttgart 21. ein plan. ein größenwahnsinniger. der alte kopfbahnhof soll weg. alle gleise unter tage und – wie in berlin – mit einer durchgängigen strecke durch die stadt. alle gleise unter tage. die züge werden damit nur ein paar minuten schneller. stuttgart’s bahnhof gilt als der schnellste kopfbahnhof. 4 minuten braucht ein ice momentan für halt und richtungswechsel. das viertel hinterm bahnhof soll auch weg. einer unserer gastgeber bezeichnete es als das alternative viertel stutgarts. der an der oberfläche freiwerdende platz soll mit ‘repräsentativen’ bauten gefüllt werden. die privatwirtschaftlichen unterstützer und entscheider kommen allesamt aus der bau- und kreditbranche. die politischen entscheider hängen in den firmen der privatwirtschaftlichen entscheider mit drin. die halbe stadt ist dagegen. es ist zum kotzen. einfach nur zum kotzen. die deutsche bahn ag schafft es seit jahren, bald jahrzehnten, den deutschen städten sämtliche historie abzureißen und seelenlose, überall gleich aussehende bahnhofsbauten an ihre stelle zu setzen. und diejenigen, die in ihrem konservativen denken sonst so sehr auf tradition setzen, haben nur noch eurozeichen in ihren augen. wie soll man da bitte nicht dem allumfassenden zynismus anheimfallen. die alternative heißt kopfbahnhof 21. die modernisierung der bestehenden anlagen würde ca. ein drittel bis die hälfte kosten und ein wichtiges identifikationsmerkmal der stuttgarter zu ihrer stadt erhalten. wir in berlin wohnenden konnten nicht anders, als der initiative erfolg zu wünschen, aber nicht ernsthaft daran zu glauben. zu tiefgreifend sind die veränderungen, die in dieser stadt bereits geschehen sind. allein für diese desillusionierung möchte ich alle daran beteiligten teeren, federn und mit ihnen das ölloch im golf von mexiko schließen. die arroganz, mit der sie städtebaulichen raubbau betreiben ist einfach unfassbar… arrogant.
20. May 2010 at 8:45 PM
Ich mag Stuttgart nicht. Es gibt diesen Mischmasch, den du beschreibst, ich vermag auch die Sympathie drin zu erkennen und die “Styropor”-Eindrücke, ich denke, die kriegst erst dann in voller Breitseite, wenn du in ein Vororts-Neubaugebiet fährst.
Ich habs nebenan irgendwann mal geschrieben – wenn man von Tübingen nach Stutgart kommt, ists einigermaßen OK. Wenn man dann nach Bochum zieht, merkt man erst, wie in Stuttgart einfach alles nach Geld, Daimler und Pietismus mieft. Merkt, dass es mehrspurige Straßen geben kann, die man auch ohne Ampel lebend überquert bekommt und Ecken, die auch durchaus versifft und verratzt sein können und trotzdem oder grade deswegen angenehm sind. Wie sagte ich? Der Kopf holt Luft. Und mit diesem Luftholen tat sich mein Kopf im Stuttgart immer tendenziell sehr schwer.