die katrin

my photography & other stuff

Du sitzt da und fragst dich, was du machen würdest, wenn du auf nichts Rücksicht nehmen müsstest.

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Mit was würde ich meine Zeit am Liebsten verbringen? Was soll Teil meines Lebens sein? Eine Sache hat es nicht auf den Zettel geschafft: an einer Universität studieren.

Eine Dekade geht vorbei. Volle 10 Jahre universitären Lebens liegen hinter mir. Ohne Abschluss. Ich höre auf zu einem Zeitpunkt, an dem ich merke, dass das Studieren an einer Universität keine Leidenschaft mehr in mir weckt. Zu einem Zeitpunkt, da die Uni, da meine Studienfächer keine Herausforderungen mehr für mich bieten. Der Weg ist das Ziel und ich habe mein Ziel erreicht. Ich weiß, was ich kann. Ich weiß, was ich nicht kann. Mehr muss ich niemandem beweisen.

Denn lange Zeit habe ich mich selbst damit motiviert, mir wenigstens zu beweisen, dass ich eine Sache wie dieses Studium abschließen kann. Aber wozu? Damit all die Jahre nicht umsonst sind? Um mir mit diesem Wisch namens “Zeugnis” Optionen offen zu halten, Wege offen zu halten, die ich sowieso nicht beschreiten möchte? Mit Menschen, die mich allein deswegen aus ihrem Radar ausblenden, weil ein Stück Papier zum Abhaken der Kreuzchen auf ihrer Vollständigkeitsliste fehlt, mit solchen Menschen möchte ich meine Zeit nicht auch nur ansatzweise vergeuden. Die Momente werden kommen, da ich diesen Schritt bereue. Ich weiß das. Es werden Jobs meinen Weg kreuzen und ich werde ihnen hinterherwinken, bei denen ich nur mit viel Selbstverleugnung den soeben geäußerten Satz vor mir selbst aufrecht erhalten kann. Aber das permanente Offenhalten aller Optionen ist einer der größten Krankheiten, die wir Menschen hier und heute haben. Ich schließe mit diesem Schritt Türen und werfe den Schlüssel weg. Es ist eine sehr große Tür und die, die weiterhin offen stehen, sind eher klein. Aber sie sind mit Regenbogen, Einhörnern, Teufelchen und Darth Vader beklebt. Ähmnaja… ihr wisst, was ich meine.

Aber in Zeiten wie diesen…? Denk doch mal an…! In diesen, unseren Zeiten werden nicht nur junge Menschen mit Angst vollgepumpt. Mach das, sonst passiert jenes nicht. Wenn du das nicht machst, dann… Oh wehe! Wenn ich an all die marktschreierischen Karrieremagazine denke, kommt mir das kalte Grausen. Und doch steht im Subtext all dieser Erfolgsstorys eines: Mach immer, was dein Herz dir sagt.

Und als hätte es diesen Wink nicht auch noch gebraucht, stoße ich just beim Schreiben dieser Zeilen über fotografiona’s Blog und ihr Ende in irgendeinem Businessnetzwerk. Sie arbeitet selbständig als Photographin. Das sogar erst seit einem Jahr, wenn ich das jetzt nicht falsch überlesen habe. Jeder Existenzgründungsberater würde wahrscheinlich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und schonmal die Schaufel fürs Berufsgrab aus der Kammer holen. Aber ich vermute mal, dass mit dem getöteten Businessnetzwerkaccount auch einiges an Druck und dieses permanente could-be wegfällt. Und wenn dieses could-be weg ist, kann man sich endlich auf das is und das will-be konzentrieren.

PS: Ja, ich habe mir das gut überlegt. Nein, auch ich kann nicht in die Zukunft sehen und 100%ig sagen, wie die Konsequenzen aussehen. Aber das kann auch niemand sonst. Ja, ich habe mit einer ganzen Reihe von Menschen darüber gesprochen. Nein, keiner dieser Menschen konnte einen Grund vorbringen, der meine Entscheidung geändert hätte. Und die geistige Freiheit, die ich seitdem in vollen Zügen genieße, sind mir Bestätigung genug.

PPS: Und jetzt mal Hand aufs Herz: “Langzeitstudentin und Studienabbrecherin”. Ich brauche sofort neue Visitenkarten…

14 Comments

  1. Langzeitstudentin war übrigens mein Berufswunsch in der Oberstufe. Hab es auf so 30 Semester ohne Abschluss gebracht und mit der Selbständigkeit seit 5 Jahren leider dieses Berufsziel verfehlt.
    Dafür bin ich, unter anderem, Vortragsreisende geworden, das war mein Berufswunsch vor der Langzeitstudentin.
    Ach, und diese Abschluss-Tür: die lässt sich immer wieder öffnen auf die eine oder andere Art. Abschlüsse sind selten ein Maß für Zufriedenheit, schon gar nicht für Glück. Warum sollte man also das Urteil eines Mitmenschen beachten, der Andere nur daran misst? Mir fehlt dafür der Respekt.
    So sage ich: Glückwunsch zur klaren Entscheidung, willkommen im Club und bis zur nächsten Stufe :D – wer weiß, wie die Entscheidung dann ausfällt? Laß Dir bloß nix einreden, das macht nur unglücklich.

  2. Viel Erfolg, was auch immer du als Erfolg ansiehst. Und: wird schon!

  3. @Regine: ja, so in etwa sehen meine gedankenfetzen von zukunft auch grade aus. also, ohne die konkreten vorträge, aber mit all dem anderen.
    bei der gelegenheit kommen mir grade wieder dieser schüler-uni-schnupper-tage in den sinn, die ich wie eine bescheuerte seit der 10. klasse besucht habe. student sein, an der uni sein, das klima und den mikrokosmos dort genießen. all das war immer wichtiger als das eigentliche studium im sinne einer berufsvorbereitenden maßnahme. insofern war also irgendwie das ablaufdatum schon immer klar: wenn mir das nichts mehr gibt. :D

    @matthiasr: danke. Und: da bin ich mir sicher! ;)

  4. :D Irgendjemand muss ja diese verqueren Biographien produzieren, die “denen” zumindest die Abschluss-Statistik-Suppe ordentlich versalzt. Sitze manchmal neidischen “Cursus Honorum”-Zicke gegenüber. Die werden meistens neidisch, wenn sie hören, was ich, frei jeglicher Abschluss-Tarife, mit Lehraufträgen oder Werkverträgen verdienen kann. So ohne Abschluss bin ich schonmal nicht überqualifiziert, was so einige Türen öffnet. Durch das, was ich aus dem Studium mitgenommen habe zusammen mit meiner Erfahrung wird die “Unterqualifizierung” immer geringer. Dazu ein stabiles und diversifiziertes Netzwerk – beste Zukunftsaussichten!
    Und die Leute mit Abschluss sind nicht unprekärer organisiert als wir. Von ihnen wird im Gegenteil erwartet, daß sie sich für die akademische Ehre unterbezahlen lassen.
    Apropos: würdest Du Event-Fotografie für ca. 1 Tag machen können und wollen? Mail me.

  5. glückwunsch zu der mutigen entscheidung! (und mal ganz im ernst: glauben denn die leute, dass jemand der sein studium abgebrochen hat, sich davor keine gedanken gemacht hat… lieber rechtzeitig die bremse ziehen, sagte mein papa immer.)

  6. Den Link wollte ich Euch nicht vorenthalten: http://is.gd/ku2a0
    Ich bin mir wirklich nicht sicher, ob man eine solche Karriere anstreben möchte. Sicher bin ich hingegen, daß man sich unter diesen Bedingungen nicht mehr voll und ganz dem widmen kann, worum es eigentlich geht: Wissen, Lernen, Forschen, Lehren, diskursive Aneignung von Stoff, kritische Reflektion usw. Als Wissenschaftsstandort tut sich Deutschland auf diese Art sicher nicht hervor. Also was bedeutet dann hier und jetzt ein solcher Abschluß? Diese Frage ist nicht polemisch gemeint, ich frage mich das wirklich.

  7. Liebe Sophie.
    Es ist gut so.
    Wenn ich eines gelernt und immer wieder als Ratschlag geben konnte, dann den:
    Tu was du liebst, und du wirst gut darin sein.
    Die Menschen merken das und werden dich wollen.
    Ich habe mich übrigens dazu entschlossen, dieses oder nächstes Jahr zu studieren. Ich hatte vorher ähnliche Bedenken wie du. Es schien mir wie ein “Aufgeben, Nachgeben, Scheitern”. Aber sobald ich Frieden damit geschlossen hatte, vermittelte es mir eine unglaubliche Ruhe, zu wissen, dass dem natürlich großartigen, aber gleichzeitig extrem belastenden Selbstständigenleben erstmal ein vorläufiges Ende bevorsteht.
    Der Druck des Netzwerkes fällt weg, weil ich mich vor allem nicht mehr verstellen muss. Darauf kann man das runterbrechen. Der Druck ist wieder da, weil ich mehr oder weniger von Neuem anfangen muss, mir einen Kontaktepool aufzubauen. Aber der wird umso besser :)

    Dass ein Studium nicht das non-plus-ultra ist, habe ich auch erst lernen müssen. Ich habe auch noch nicht studiert. Ich habe nichteinmal ne Ausbildung gemacht. Ich hatte Glück und habe die richtigen Menschen getroffen. Etwas, was einem während des Studiums nur leidlich gegeben ist. Geh hinaus, und sauf dir einen an und triff Menschen, die dich inspirieren!

    Lieben Gruß
    Fotografiona

  8. @Kathi: danke! :) (und ja, es gibt Menschen, die das glauben. Das sind aber meist auch die Menschen, die – und das unterstelle ich jetzt einfach – schlicht und ergreifend Angst davor haben, Wege zu gehen, die nicht dem Mainstream folgen.)

    @Regine: Danke für den Link. Was in dem Artikel ja leider nur angedeutet ist, sind die jeweiligen Fächer. BWL und Jura werden da z.B. gar nicht erwähnt, ebensowenig technische Fächer oder Sozialwissenschaften. Naturwissenschaften (für mich im Moment des Lesens tatsache etwas überraschend) ja. Da fände ich eine jeweilige Aufschlüsselung mal sehr interessant. Bei Geisteswissenschaften ist die prekäre Situation ja mehr als bekannt. Da ist die Promotion häufig genug nur das nach-hinten-schieben des (klassischen) Arbeitslebens. Da denke ich jetzt weniger an den dargestellten Lehrbeauftragten aus dem Artikel, sondern mehr an die Legionen von Germanisten, die mir in all den Jahren über die Wege gelaufen sind, die nicht und niemals in klassische, gutbürgerliche, leistungsorientierte Arbeitsformen reinpassen, aber auch so gut wie nirgendwo Input herkriegen, wie sie die anderen Wege nach Rom finden.

    Und was so ein Abschluss wert ist. Keine Ahnung, so schnell kann ich da keine Antwort drauf geben :D. Die meisten, deren Abschluss ich mitbekommen habe, sind entweder an der Uni untergekommen (z.T. Verwaltung o.ä., z.T. die angesprochenen Promovendenstellen, dort aber noch nicht fertig) oder Lehramtsleute.

    @Fotografiona: Na dann sag ich mal: Viel Spaß und viel Erfolg beim Studium!
    Und ich hab beim Studium genau die richtigen Leute getroffen. Menschen, mit denen ich in Cafés arbeiten konnte (1 Jugendcafé und 1 studentisches Café). Menschen, mit denen ich wundervolle Seminare besuchte, die mein Verständnis von dieser Welt tiefstens geprägt haben. Aber am allerwichtigsten: An der Uni traf ich die Menschen, mit denen ich vor über 4 Jahren anfing, die Blogosphäre zu entdecken. Und das hat mich an den Ort gebracht, an dem ich heute stehe, und zu den Dingen, mit denen ich heute mein Geld verdiene. Alles Dinge, die ich vor 10 Jahren nichtmal ansatzweise erahnen konnte ;).

  9. Mutig! War ich nie! Viel Erfolg auf deinem Weg!

  10. Oli: danke :)

  11. Pingback: Assoziation Abschlussloser

  12. “Tu was du liebst, und du wirst gut darin sein.” Danke! Das ist nach jahrelangem Rumgewurschtel an der Uni mein Motto.
    Hilfe! Hab meine Passion für’s Unterrichten entdeckt, doch Ihr wisst, was das in Deutschland bedeutet?
    Wohin kann ich mich wenden, wenn ich Lehrer werden wil – ohne auf Lehramt studiert zu haben?

  13. Hey derchris. Ja, du sagst es, der Standardeinstieg ist quasi unmöglich. Aber über Nachhilfe und in der Erwachsenenbildung dürfte einiges gehen. Ist halt nur so semi-auskömmlich :/. Und deutsch im Ausland ist Unterrichten ohne Lehramtsstudium auch leichter, aber da kenn ich mich auch wieder zu wenig aus.

  14. shukran. Bei der suche im Ausland bin ich schon angekommen. Und freie Schulen.

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