Miley Cyrus. Seit Tagen (oder fast schon Wochen?) flattert die Geschichte hier in unseren Medien und Timelines rum. Meist auch an mir vorbei. Einzig über den Nilz kriege ich immer mal wieder mit, dass er sich konsequent auf ihre Seite stellt. Gestern dann Tag der Offenen Briefe.
Sinéad O’Connor wählt den Offenen Brief als Kommunikationsmittel und äußert sich nach diversen Anfragen seitens der Journaille lieber auf ihrem eigenen Blog zum Thema. (“Open Letter to Miley Cyrus” aufm Blog, is aber grade down; Mirror davon aufm Guardian.) Dieser wiederum hat Amanda Palmer dazu veranlasst, eine Replik auf ihrem Blog zu veröffentlichen: “An open letter to sinéad o’connor, re: miley cyrus.”
Sinéad O’Connor’s Brief fasse ich mal zusammen als: ‘Mädel, das mit dem nackt rumtanzen ist nur eine Form der Ausbeutung, sei sie auch selbstgewählt. Denn sex sells und du bist damit nur ein weiteres Verkaufsobjekt. Find mal besser andere Wege, um dich als starke bzw. erstarkende post-Hannah-Montana-Frau in der Öffentlichkeit zu präsentieren und durchzusetzen, denn du bist mehr als deine Sexualität.’ Ist nicht viel gegen zu sagen. Das bringt die Mechanismen des Showbiz ziemlich genau auf den Punkt und folgt argumentativ einer der großen Grundansichten des Feminismus nämlich Frauen sind mehr als ihr Körper und das gilt es zu erkämpfen. Den paternalisierenden bzw. maternalisierenden Tenor dieses Briefes erwähne ich der Vollständigkeit halber mal, aber lasse es soweit auch ohne weiteren Kommentar stehen.
Amanda Palmer hat darauf im Kern ungefähr Folgendes geantwortet: ‘Das ist ja alles schön und gut und richtig. Aber was auch passiert: Wenn eine Frau sich selbstgewählt nackt in der Öffentlichkeit präsentiert, dann gibt’s Kontra, und zwar zuallererst von anderen Frauen, die einem einreden vom patriarchalen System korrumpiert worden zu sein. Und das führt auch wieder nur dazu, dass Frauen sich in ihrem Körper unwohl fühlen, weil sie sich nicht nach außen geben können, wie sie es gerne würden. Viel zielführender ist es, die gesamte Bandbreite zuzulassen und zu bekräftigen und stattdessen andere Mittel zu finden, um den Kampf um das eigene Selbst zu kämpfen.’ Dieser Text benennt m.E. eines der großen Probleme des derzeitigen Mainstream-Feminismus: Alles, aber auch wirklich alles wird als Produkt männlicher Machtstrukturen eingeordnet, insbesondere wenn es in den Bereich Sexualität/Nackheit/Schönheit(sideale) geht.
Szenenwechsel nach Bielefeld und zu Feine Sahne Fischfilet. Dazu vorweg: Wer die Story als Internethype mitbekommen hat, lese sich bitte das Statement der Band (FB-Link, public) dazu durch. Die haben neulich ein Konzert im AJZ gegeben. Der Drummer zog irgendwann sein T-Shirt aus. Das Konzert wurde daraufhin von den Hausbetreibern mit Verweis aufs Hausrecht/Plenumsbeschluss unterbrochen, welches besagt, dass nackte Oberkörper nicht geduldet werden, da das AJZ auch ein Schutzraum gegen Sexismus ist. Nach ungefähr 20 Minuten Klärung mit allen Beteiligten hat die Band dann auch weitergespielt.
Was mir daran auffällt: Es ist egal, wer sich auszieht. Das Ausziehen ist das Problem. Nacktheit. Nacktheit soll nicht in der Öffentlichkeit stattfinden. Nacktheit ist obszön. Nacktheit ist sexuell. Dem männlichen nackten Körper wird permanent sexuelle Gewalt und Macht zugeschrieben. Der weibliche nackte Körper ist Ausdruck der sexuellen Objektifizierung. Also bitte alle wieder die Klamotten anziehen und lieber den obersten Knopf noch zuknöpfen, damit… Ja was? Was ist damit eigentlich gewonnen? Und was verloren? Der nackte Körper ist nicht nur, aber eben auch Teil eines jeden Menschen. Wie kann der nackte Körper entsexualisiert werden, wenn er nicht mehr stattfindet? Ich möchte behaupten: gar nicht. Das Thema wird nur aus der Öffentlichkeit hinaus ins Private argumentiert.
Und damit wird auch weiterhin Sexualität als Tabu aufrecht erhalten.
4. October 2013 at 11:36 AM
Eine armseelige Gesellschaft, die sich in bigotter Doppelmoral zurück entwickelt.