Es lodert ein kleines Feuerchen in Blogdorf. Nicht stark, es ist mehr so ein Schwelbrand, der gelegentlich ein paar Flammen züngeln lässt. Das Feuerchen lodert bei den Verfechtern der grammatikalischen Neutralität des Mediums, in dem wir uns alle hier tummeln. “Blog” hat seine etymologischen Wurzeln im Weblog, welches wiederum in Anlehnung an das Logbuch der Schiffer entstand. “Logbuch” oder “Log” ist eindeutig sächlich, das “Weblog” ebenso. Nur beim Blog hält sich die Verwendung des maskulinen Artikels standhaft neben dem neutralen. Die Verfechter des Neutrums sagen dann bei Gelegenheit auch gerne, “der Blog” sei falsch.
Dem deskriptiven Linguisten in mir rollen sich ob solcher Sickschen, sprachnörglerischen Urteile kurz die Zehennägel auf. Google’s Index wirft für “das Blog” rund 788.000 Ergebnisse aus. Für “der Blog” sind es mit 827.000 Ergebnissen nicht wirklich viele mehr. Wie kann etwas “falsch” sein, was von so vielen Sprechern gebraucht und von noch mehr verstanden wird?
Doch wie kommt es eigentlich, dass “der Blog” überhaupt in den Gebrauch Eingang gefunden hat? Ist es die pure Sprachgeschichtsvergessenheit? Wohl kaum. Die Etymologie ist mittlerweile weitgehend bekannt und dennoch: der Blog lebt.
Die Ursachen liegen – wie so oft – in der Sprache sowie im Sprachgebrauch selbst. Wesentlich häufiger als der direkte Artikel im Nominativ wird “Blog” im Sprachgebrauch mit dekliniertem Artikel (“Das findest du bei XY im Blog.”) oder in Sätzen mit Possessivpronomen (“Wie XY in seinem Blog schreibt, …”) verwendet.
Das Deutsche zeigt bei den Flektionsformen des Neutrums nur wenig Individualität im Vergleich zum Maskulinum. In weiten Teilen zeigt es dieselben Formen. Insbesondere der Dativ hat durchgängig die gleichen Formen im Neutrum wie im Maskulinum. “Mein Baum” wird zu “meinem Baum” (“in meinem Baum”), “mein Haus” zu “meinem Haus” (“in meinem Haus”). “Der Baum” wird zu “dem Baum (in dem Baum/ im Baum)”, “das Haus” wird zu “dem Haus (in dem Haus/ im Haus)”. Beim Verweis auf Inhalte wird durch die häufige Verwendung der Präposition “in” (die den Dativ erfordert) also eine grammatikalische Form verwendet, die per se keinen Rückschluss auf das grammatikalische Geschlecht des Nomens zulässt. Da das Maskulinum trotz aller postmodernen Schriften noch immer das unmarkierte Genus ist und also zuerst gedacht wird (natürlicher erscheint), greift der geneigte Sprecher zum Maskulinum, wenn er/sie/es in den Nominativ wechselt.
Damit verknüpft dürfte auch ein diskursiver/ kultureller Aspekt sein. Blog – im Gegensatz zu Weblog – trägt einen wesentlich schwächeren Verweis auf das Logbuch in sich. Das Logbuch spielt in unserer Gegenwart auf Grund der geringen gesellschaftlichen Relevanz der Schifffahrt (im Vergleich zu Bahn und Flugzeug) eine ebenso seltene Rolle in unserem Sprachgebrauch. Die Assoziationskette Blog-zu-Logbuch drängt sich nicht gerade von selbst auf. Das einsilbige “Blog” erscheint eher als eigenständiger Neologismus als es beim zweisilbigen “Weblog” der Fall ist, weil hier “-log” als Teilwort mit der Pause zwischen dem “b” und dem “l” gesprochen wird. Der/das Blog verliert mit zunehmender sprachlicher Reduktion seine an der Oberfläche materialisierte Geschichte. Auf der anderen Seite aber ist es ein Spiegel der sich verändernden Verwendungsweisen des Mediums “Blog”. Der logbuchartige, chronologische Charakter wird im Verlauf der Gewohnheit immer un-präsenter. Das Hinzufügen diverser Widgets mit weiteren Inhalten neben dem zentralen Bloginhalt (den Posts), Unterseiten, magazin-artige Layouts und Strukturen usw. pluralisiert die Blogs, verändert ihren Charakter. Anders gesagt, die Erscheinungen der Blogs verlieren mehr und mehr ihren logbuchartigen Charakter.
[Nachtrag] Mit bestem Dank an Anatol Stefanowitsch aus den Kommentaren gefischt: Ein weiterer sprachlicher Grund für die Verwendung des männlichen Artikels liegt sicher auch in der lautlichen Nähe des “Blogs” zum “Block”, die sich mit der Auslautverhärtung im Deutschen (‘g’ wird zu ‘k’) noch verstärkt. “Block” ist maskulin und per Analogieschluss ist der Weg zu “der Blog” nicht mehr weit.
[Nachtrag, die Zweite] Im blog.institut1 wurde das Thema nun auch verhandelt. Die Verbindung vom Holzklotz zum Notizblock lässt sich historisch vermutlich nicht so richtig direkt ableiten. Aber die implizierte These, dass “das Blog” und “der Blog” über diverse Umwege denselben Ursprung haben, gefällt mir.
4. July 2008 at 11:25 AM
Also wenn Du auf DIESEM Niveau mit mir diskutieren willst…
…dann komm ich nicht mehr mit. ;)
4. July 2008 at 11:41 AM
Dazu kommt natürlich noch die deutsche Auslautverhärtung, durch die das Blog phonetisch vom Block nicht zu unterscheiden ist. Die Verwendung des maskulinen Genus dürfte also noch per Analogiebildung verstärkt werden.
4. July 2008 at 7:18 PM
Der Blog.
Die Weblog.
*hust*
4. July 2008 at 9:05 PM
Schön, dass mal jemand drüber redet!
Ich musste mir das ‘das Blog’ wirklich antrainieren. Warum eigentlich? Ich schiebe meine grammatischen Aussetzer gerne der Varietät meiner Geburtsregion zu: In Bayern darf man ja bekanntlich ‘den Butter’ und ‘den Schoglad’ (=Schokolade) ordern. Möglich also, dass die bayerische Staatsregierung gerade versucht, das web2.0-Deutsch zu unterwandern und daher vermute ich 60% der ‘der Blog’-Delegation im süddeutschen Raum.
9. July 2008 at 9:17 PM
Mir gings übrigens so wie Miriam. Ich musste mir “das Blog” erst anerziehen, jedoch kann es durchaus vorkommen, dass mir mal ein “der Blog” rausrutscht.
Viel schöner find ich aber bei uns Berlinern “Dit Blog”, echt Knorke wa? ;-)