Und was machen die Geschäfteinhaber entlang der Demoroute? Ihre Läden dicht.
Es fing mit gesperrten Straßen und einem Fußmarsch zum Connaught Place an. Der Connaught Place, dieses Unikat britisch-kolonialerer Baukunst mit dem vermutlich größten Kreisverkehr der Welt. Erinnert ihr euch an den Tauntzien/östliches Ende des Kudamms Mitte der 1990er? Alte Läden. Ein bisschen Glamour und Teuer dazwischen. Bettler. Schulkinder mit vermeintlich zuviel Taschengeld. Zur Mittagszeit die Businessmänner aus den umliegenden Bürogebäuden. Kleine Klitschen, die mit der Erfindung des Tourismus entstanden sind und erst lange danach sterben werden. Die letzte Renovierung ein bisschen zu lange her um dem selbstauferlegten Image gerecht zu werden. Ja? Dann jetzt noch eine Prise Wüstensand in jede Ecke, die Reste ausgespuckter Betelnuss nicht vergessen, die Häuser staubweiß angemalt und ihr habt den Connaught Place (google maps, en-wikipedia).
Aber wo war ich stehen geblieben. Ach ja. Ich also ‘ne waschechte, indische Demo mitbekommen. Alles ziemlich ruhig. Die meisten Polizisten standen nur mit ihren langen Rohrstöcken am Straßenrand. Die etwas armee-iger aussehenden Staatskräfte (die Uniformen der Polizei sehen hier gerne mal nach Militär aus) standen ebenfalls nur gering bewaffnet in der Gegend rum. Sonst kein schweres Geschütz am Connaught Place.
Ich also so am Connaught Place entlang und wunder mich schon, weshalb einige Läden ihre Gatter runterlassen. Prüfender Blick in den Himmel. Nein, ist noch hell. Prüfender Blick auf die Uhr. Nein, ist noch lange hin bis Ladenschluss. Also rein in den Coffeeshop. Und während ich so auf meinen Eiskaffee warte, kommt der Türsteher (ja, hier hat jeder sich halbwegs westlich gebende Laden einen Türsteher) mit besorgtem Blick rein. Einer der Angestellten geht mit zurück zur Tür. Ich stell mich an die Theke und warte sehnsüchtig auf meinen Eiskaffee… während vorne das Gatter bis auf 1m runtergelassen wird. Schnell noch ein paar künstlich verschreckte Touristen mit Rucksack eingesammelt und schnell das “closed”-Schild aufgehangen.
Ein anderer Angestellter hat mir dann erzählt, dass die Bauern gesammelt nach Delhi gekommen seien, um mit dem Premierminister zu sprechen. Der aber keine Zeit für Gespräche mit den Demonstranten hatte. (Weil er zeitgleich ein Meeting einrichten ließ, in dem es immerhin um das Anliegen der Bauern ging. Die Bauern sind übrigens mit der Preispolitik fürs Zuckerrohr nicht zufrieden. Bei einer Inflationsrate von 14.x% auf Lebensmittel dürfte aber grade jede Politik der Welt ihre Probleme haben.) Und die umliegende Geschäftsinhaberschaft befürchtete nun also des Volkes Zorn und machte prophylaktisch gleich mal alles dicht.
Raus kam man übrigens immer. Ich hab das Geschehen dann auf der Suche nach einer Rikshaw auf mich wirken lassen. Es hatte ein bisschen was von Demotourismus, was die verbleibenden rumstehenden Menschen – vornehmlich Männer – an ihren Ecken sitzen bleiben ließ. Sie hatten alle diese Funkeln in den Augen, diese Hoffnung, dass da heute noch was passieren könnte. Und bis dahin hatten sie ihren Spaß an Menschen wie mir, die offensichtlich nach einem Weg raus suchten. Herrlicher Moment.
Ob da jetzt wirklich noch was passiert, weiß ich nicht. Mal morgen in die Zeitung gucken.