die katrin

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Musikalische Überschneidungen.

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Juli. Silbermond. Christina Stürmer. Sie alle eint, dass sie seit kurzem recht erfolgreich ihren Mainstream-Gitarrenpop, untermalt von gefühlsduseligen Empfindsamkeitslyrics, in die Welt hinaustragen dürfen. Sie alle eint, dass sie von der Indieszene, wenn überhaupt, dann mit Spott und Häme beachtet werden.

Nun gibt es eine neue Band, deren aktuelle Single “Dann wachst du auf” musikalisch in dieselbe Kerbe schägt. Reisegruppe Fischer heißen sie. Die Frau am Mikro hat eine seichte Stimme und genauso seicht ist auch das Lied. Der Unterschied zu den Songs der drei oben genannten Bands ist, rein musikalisch gesehen, marginal bis nicht vorhanden.

Der Unterschied ist der, dass die Reisegruppe Fischer soeben auf einem Radiosender lief, deren Mitarbeiter sich schätzungsweise eher die Hand abhacken würden, als Juli, Silbermond oder Christina Stürmer über den Äther zu jagen. Nun, der gute Winson spielte sie, also die Reisegruppe Fischer, und bedachte sie im Nachhinein mit lobenden Worten, so von wegen: tolle neue Band, deren Heimatort wird der neue place-to-look-for usw.

So Sachen passieren ja durchaus häufiger mal. Letztens gab es beispielsweise eine Electro-Single, die mich in Teilen so dermaßen an billigen 90er-Eurodancepop erinnerte, dass sich mir alle Nackenhaare einzeln aufstellten und mein Gehörgang mit Warnstreik und Urabstimmung drohte. Gespielt wurde sie ebenfalls auf motor.fm.

Gespielt werden sie, weil sie schon vorher mit interessanter Musik auf sich aufmerksam machten oder – im Falle von der Fischergruppe – alles im Alleingang produzieren und insgesamt sehr sympathisch daherkommen.

Was mich mit Erstaunen erfüllt ist die Tatsache, dass die musikalischen Überschneidungen offenbar nicht bemerkt werden. Schafft es z.B. Herr Winson so erfolgreich, das Hören von Chartsmucke zu umgehen, dass er die Überschneidungen also gar nicht feststellen kann? (Wobei ich in seinem konkreten Fall nicht weiß, was er über Juli und Konsorten denkt, insofern lasse ich ihn mal schnell wieder außen vor.) Die Sache ist auch eigentlich die, dass diese Musik beim einem Publikum Gefallen findet, welches das Hören von Chartsmucke größtenteils ablehnt. Zur Begründung werden dann musikalische Qualitäten angebracht. Doch es sind wieder diskursive Praktiken, die über Wohl und Wehe des Musikgeschmacks entscheiden. Fängt die Band bei einem kleinen Label an oder wird sie sofort von Sonyversal gepusht? Über welche Musikstationen wird die Single vornehmlich angepriesen? In welchen Medien geben die Künstler die ersten Interviews?

Wir können aus diesen diskursiven Formationen nicht plötzlich und mit einem Fingerschnippen ausbrechen. Wie immer, kann es bestenfalls darum, sich der Strukturen bewusst zu werden.

9 Comments

  1. auf die gefahr hin mich dauerhaft unbeliebt zu machen aber diese ganze spex/relevanz/coolnesskriterien/schleife war schon vor zehn jahren bei den ewigen pudelabhängern etwas zu dem ich nur noch eins beizutragen hatte.

    vieux jeu.

    die indi vs. major debatte ist ein hundertfach zu tode gerittenes pferd.

    die ganze wahres im falschen, kulturindustrie vs. authentische entäußerung des individums, alles fragestellungen die mit der industriegesellschaft im engeren sinne entschwanden.

    genauso wie pop als medium der revolte etc. pp….dieterich ick hör dir trappsen

    geschmackstalinsmus lohnt sich nicht das leben ist zu kurz dazu.

    just my 2cents.

    und ich wollte jetzt auch keine debatte vom zaun brechen, die bemerkung lag einfach so auf meiner zunge herum und versperrte die ausfahrt.

    nix für ungut

  2. [ist jetzt doch etwas länger geworden.]
    Passt schon. Ich will ja gar nicht dafür plädieren, die Coolness-Kriterien der Indies aufrecht erhalten werden sollen. Auch wenn ich meinem Geschmacksstalinismus (:-)) zwischendrin freiem Lauf ließ, ging es mir doch in erster Linie um den Punkt, dass diese Indie-Major-Unterscheidung über das Argument “Qualität der Musik” geführt wird (aus der Indieecke heraus). Dass aber dieselbe Art von Musik einmal für gut und einmal für scheiße befunden wird, hat mich irritiert. Und als ich gesehen habe, dass die Reisegruppe Fischer ihre Sachen in Eigenregie unters Volk bringt, hat mir das gezeigt, dass es eben nicht um die Qualität der Musik geht, immer noch nicht. Dass die Strukturen “Indie vs. Major” (im Sinne der Nutzung der Vertriebswege) bei der Auswahl nach wie vor gut funktionieren, egal wie ausgelutscht die Debatte dazu ist.
    Soweit zum Hergang des Vorgangs ;-)

    Das Ganze zeigt eigentlich recht deutlich deinen Ansatzpunkt, westernworld. Die Grenzen der getroffenen Unterscheidungen lassen sich nicht festklopfen. Glaubt mensch, eine Grenze gefunden zu haben, kommt das nächste Beispiel und haut einem alles wieder um die Ohren.

    Hm, aus der Debatte wird wirklich nix. Ich fürchte, dazu sind wir uns zu einig. Bis auf die Sache mit dem Geschmacksstalinismus. Der macht manchmal einfach viel zu viel Spaß… :D

    ps: Wer sind denn die “ewigen pudelabhänger”?

  3. golden pudels club hamburg, ehemals spex central /hamburger schule / tocotronic, blumfeld et al.

    ein enger freund von mir war dj und in hh domizilierend und so schwankten wir 3 a.m. mit schöner regelmäßigkeit in den pudel. man konnte da nämlich auch ganz gut feiern und der kiez war halt vom karo aus zu fuß gut erreichbar einfach quer übers heiliggeist feld kein ding.

    da ich die fresse einfach nicht halten kann war dann gelegentlich eine diskussion mit den spex spacken am start wie gesagt alles schon über zehn jahre her.

    apropos nicht halten.

    ich glaube du zäumst das pferd von hinten auf.

    anliegen des popdiskurses ist mit nichten musik oder ihre quallität, anliegen ist die schaffung von stratifikation, dichotomien des typs elite/masse, in-/outgroup and so on and so forth den rest kannst du sicher selbst deklinieren.

    musik ist nur der anlaß. böse formuliert der vorwand, eines tutti completti selbstreferentiellen prozeßes ohne stoppregel.

    abgrenzung ist selbst zweck, ja zweck.

    wie eine batterie die funktion erfüllt +/- zu tennen lept die popkultur von der abgrenzung, vom ewigen hase und igel spiel.
    das ist kein un- oder zufall das ist ihr wesen.

  4. >anliegen des popdiskurses ist mit nichten musik

    Weshalb er ja so doof ist, der Popdiskurs. Ich wollte schon lange mal einen Text darüber schreiben, warum Tokio Hotel allemal besser sind, als die Backstreat Boys meiner Generation.

    Übrigens: Der gute Winson war ganz ganz früher mal in meiner Parallelklasse:

    http://www.nerdcore.de/wp/2006/05/09/heizungsbanger/

    Wir konnten mit den Metallern aus der 8 9A nur wenig anfangen, denn wir waren eher Popper, nicht ganz so versifft und standen auch nicht auf Bomberjacken, wir von der 8 9B. Ich hatte damals ne schwarze Filzjacke oder sowas an und war eher Waver und Heiko mit seinem Jack-Wolfskin-Outfit sah einfach nur scheiße aus. Mit zwei von den Metallern haben wir später die Schule angesprüht und irgendwann bin ich geflogen und habe an die Metaller oder den Heizungsbanger nicht mehr gedacht. Bis neulich…

    Ich sitze zuhause und schaue MTV und da läuft auf einmal ein Lied namens „Peter“, also das Lied hieß eigentlich „Wovon lebt eigentlich Peter?“ und war ganz passabler deutscher Rock und stammt von einem gewissen Winson… Winson… Winson? Winson?! Winson!

    Verdutzt schaute ich in das Gesicht auf der Mattscheibe, addierte lange Haare und eine Heizung und da war er wieder, mit geschlossenen Augen gegen die Heizung gelehnt, den Kopf ständig herumwirbelnd und Fingern, die die Oberschenkel volltrommelten. Der schwarzbebomberte Heizungsbanger hatte es doch tatsächlich auf MTV geschafft. Herzlichen Glückwunsch. Vor zwei Wochen war er dann bei meiner Sarah im Studio und ich war tatsächlich ein wenig eifersüchtig. Er hatte immer noch dieses etwas verkniffene Lachen und die hektische Körpersprache, vielleicht hat Winson zu oft gegen die Heizung gebangt, was weiß ich.

  5. ach, Herr Westernworld, was soll ich dem denn jetzt entgegensetzen. Also wirklich. Das kann ich ja alles nur unterschreiben. :-)
    Einzig dem das-Pferd-von-hinten-aufzäumen würde ich ein an-der-Oberfläche-der Äußerungen-beginnen entgegensetzen. Aber das sind Detailfragen.

    Die Sache mit dem Kennen von dem Winson erinnert mich übrigens gleich wieder an die “man kennt alle Menschen 5/7/9 Ecken rum”-These. Als damals der “Peter”-Song lief, erinnerten sich einige daran, dass Winson mal bei uns studierte… naja, eingeschrieben war und bei uns im Café rumhang. Er war wohl mehr mit Kiffen und Musikmachen beschäftigt. Aber von dem leicht verstrahlten Typ haben sie auch erzählt. War´n aber vielleicht nur die Nachwirkungen vom Heizungsbangen :-).

  6. tjoa, dann muß ich mir wohl ein paar bockige unhaltbare positionen zulegen.
    sonst stirbt das alles noch in schönheit und haarmonie. ;)

    andererseits bin ich erfreut.

  7. mach das, mach das. ich war durchaus auch ein wenig ernüchtert, als ich feststellte, dass das hier schon wieder auf ‘ne kuschel- und konsensveranstaltung hinausläuft ;-).

  8. kommt der masochist zum sadisten:”bitte, bitte quäl mich!”

    sagt der sadist:”neeein.”

    das könnte dir so passen das ich hier das intellektuelle kanonenfutter gebe.
    /insert wry smile & malicious grin/

    den hier wollte ich dir nicht vorenthalten, von einem meiner lieblinge, karl kraus.

    “nichts beweist mehr gegen eine Theorie als ihre durchführbarkeit.”

  9. good morning miss sophie, due to email issues explained in the post, i answered were we left off yesterday.
    no pownce link via mail for your last
    post, hence the late reply.

    till later…

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