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Die Markierung eines Falls, der sowieso mehr und mehr aus unserem Sprachgebrauch schwindet: der Genitiv

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Beim Herrn Grau gibt’s heute einen wundervollen Beitrag zu Herrn Sick und seinen unsinnigen Kommentaren zur deutschen Sprachlandschaft.

In den Kommentaren kam – unweigerlich – auch das Thema Genitiv-Apostroph zur Sprache (eine herrliche metaebenenmäßige Redewendung, btw). Herr Grau schrieb hierzu, dass die Verwendung des Apostroph zur Markierung des Genitiv “schlicht und einfach unnötig” sei, da es ja das ‘s’ als Markierung des Genitiv bereits gäbe. Herr Grau ist nun keineswegs allein mit dieser Ansicht, insofern gilt meine Replik allgemein diesem Argument, als weniger Herrn Grau.

Von der Warte aus gesehen – es gibt schon was, warum noch was anderes dazu, nur um die Verwirrung dann komplett zu machen -, von dieser Warte aus gesehen, erscheint die Verwendung der englischen Variante der Genitivmarkierung zumindest auf den ersten Blick nicht zwingend notwendig. Aber hilfreich.
Ein Beispiel: Ich bringe Andreas Buch zurück.
Aus sprachwissenschaftlicher Sicht lässt sich der Erfolg der englischen Variante (Ich bringe Andrea’s Buch zurück) mit dem Gesetz der sprachlichen Ökonomie erklären.
Wer bei dem Beispielsatz – und sei es nur für eine Millisekunde – zuerst an einen männlichen Inhaber des Buches dachte, wird mit der englischen Variante beim Lesen vermutlich besser klarkommen. Zum Test: Andreas Buch und Andreas’ Buch vs. Andrea’s Buch und Andreas’ Buch. Bei der deutschen Variante der Genitivmarkierung durch das ‘s’ führt die Überschneidung mit vielen Substantiven und Eigennamen, die auf einen ‘s’-Laut enden, dazu, dass der Lesefluss kurzzeitig unterbrochen wird. Durch die Markierung des Genitiv mit einem Apostroph wird der Leser rechtzeitig darauf hingewiesen, dass es sich hier nun um einen Genitiv handelt. Kein Innehalten und neu-Lesen ist nötig.

Der Satz Ich bringe Andreas Buch zurück kann in mehreren Lesarten verstanden bzw. zunächst irreführend gelesen werden, je nach Einordung von Andreas.
Da wäre zunächst für unsere türkisch- und arabischstämmigen Mitbürger mit ihrem Pidgin-Deutsch die Falle, den Satz als /Ich gebe das Buch an Andreas zurück/ misszuverstehen. Mit einem Genitiv-Apostroph ist diese Lesart ausgeschlossen. (Off-Topic: Woher kommt eigentlich die Unterscheidung zwischen türkisch und arabisch? hat sich geklärt)
Irreführend ist der Satz, weil ‘Andreas’ als männlicher Eigenname häufiger vorkommt als die Genitivform von ‘Andrea’ und daher beim Lesen ‘Andreas’ zuerst als Akkusativ gelesen wird (das hängt mit dem Frequenz-Effekt beim Sprachverstehen zusammen: häufig auftretende Wörter werden schneller erkannt als seltene Wörter). Erst mit dem weiteren Lesen des Wortes ‘Buch’ sowie dem Fehlen eines Demonstrativpronomens wird Andrea als weiblich sowie als Inhaberin des Buches erkannt. Das ist zwar nun eine Sache von Millisekunden, aber mit dem Apostroph als graphisch sichtbarem Element wird das irreführende Lesen vermieden.

Langer Rede, kurzer Sinn: Die Verwendung des Genitiv-Apostroph erleichtert für einen bestimmten Teil unserer Wörter die Sprachrezeption. Und weil wir alle faule Säcke sind und es immer gern so bequem wie möglich hätten, ist das Apostroph keinesfalls unnötig, sondern eine neue Form, die eine Zeitlang parallel zum Genitiv-s existieren wird, um dieses dann (so meine Prognose) irgendwann gänzlich zu verdrängen. Ist ja auch viel einfacher, für unsere beiden am häufigsten genutzten Sprachen in Teilen die gleiche Grammatik zu Grunde zu legen.

8 Comments

  1. na gut. punkt für dich. aber was willst du bei der unterscheidung von türkisch und arabisch wissen??? das sind zwei völlig unterschiedliche sprachen, du linguistin! (denken sie sich hier ein liebevolles maulen bitte) ergo müssten deren sprecher auch durch import der jeweiligen sprachstruktur unterschiedliche pidgin-deutschs hervorbringen.

  2. Huch, äh, ja. Wer klar formulieren kann, ist eindeutig im Vorteil. Meine Frage bezog sich gar nicht auf die beiden Sprachen türkisch und arabisch an sich.

    Ich meinte vielmehr unseren Sprachgebrauch “türkische und arabische Mitmenschen” bzw. die Trennung der türkischen von den anderen Mitmenschen mit dabei aber ähnlichem geographischen Migrationshintergrund. Aber ja, peinlich wie es ist, hatte ich mich einfach bloß verrannt: die Sprachen. Natürlich. Daher die Unterschiede. Daher die Möglichkeit, arabische Mitmenschen, die ja eigentlich aus so vielen verschiedenen Ländern kommen, unter einem Namen zusammenzufassen.

    Ich geh dann mal die Frage als obsolet markieren. *dummdidummdidumm*

  3. türken und araber haben außer dem gemeinsamen islamischen glauben, und auch da gibt es unterschiede, kulturell und sprachlich soviel gemeinsam wie russen und holländer.
    es gab zwar im zuge des osmanischen reiches eine gewisse penetration des türkischen durch arabische lehnwörter aber im grunde gehört das türkische zu den zentralasiatischen turksprachen ist also mithin gar keine semitische sprache, sondern gehört zur familie der altaischen sprachen.
    übrigens waren die kemalisten sehr bemüht bei der codifizierung und latinisierung des türkischen die arabischen einflüße wieder auszumerzen.

    aber die paradiesische müßte das alles noch viel besser wissen.

    genug kluggeschißen für einen abend. ;)

  4. zurück zu’n thema: ick bin ja sowieso eh’ für dit: “andreas ihm sein buch” oder “Andrea der ihr buch”…

    und jetzt geh ich mir den Mund ausspülen.

  5. Mit dem Genitiv-Apostroph habe ich inzwischen zu leben gelernt. Der echte Deppenapostroph kennzeichnet einen Plural.

  6. Nein, ich habe mir grade abgewöhnt alles zu apostrophieren. Ich will nicht mehr, ich mach jetzt keine mehr – nö!

  7. Du hast ein Buch von mir? Öcht?

    Der-mit-ohne-Apo-Dingsda

  8. Wenn jemand von Euch mal Texte aus der Zeit um 1800 gelesen hat (Original natürlich), wird ersie wissen, dass der Genitiv-Apostroph bereits damals verwendet wurde. Offensichtlich scheint er irgendwann ausgemerzt worden zu sein und feiert nun, via lingua franca nova, erneuten Einzug in die deutsche Sprache. Also hört auf, rumzujammern, der Genitiv-Apo wäre etwas fremdes in der dt. Sprache. Feiert lieber seine “come back” (lingua franca sei Dank)!

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