die katrin

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Diese Stadt hat keine Seele.

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Bislang kannte ich Städte ohne Seele nur aus Stereotypen. Einmal bin ich durch eine durchgelaufen. Waren an der Müritz. Die Altstadt wurde irgendwann zwischen 1990 und 2001 saniert. Dabei hat die Stadt ihr Gesicht verloren. Die Häuser sahen genauso aus, wie die Häuser anderer sanierter Altstädte. Keine Besonderheiten. Nichts. Das Nichts in Pastellrosa getaucht.

In Delhi gibt es schon ein paar Besonderheiten. Monumente, Festungen, solche Scherze. 4.000 Jahre ständige Belagerung und Eroberung durch neue Völker haben ihre Spuren hinterlassen.

New Delhi wurde in den 1920er Jahren erbaut. Es ist eine Reißbrettstadt, entworfen von einem Architekten. Breite Straßen und viel Grün am Rande dieser Straßen. Die vielen Bäume sind schön. Darunter gibt es noch ein bisschen mehr grün. Diesmal sind es die Zäune der Villen. Dann ein Streifen Mauer aus rotem Sandstein. Manchmal sieht man die Dächer. Dann ein paar große Hotels und das Parlamentsgebäude. Das war’s. Mehr gibt es in New Delhi nicht zu bestaunen. Das gemeine Fußvolk lebt in Wohnsiedlungen, die meist auch wirklich reine Wohnsiedlungen sind. Der Markt ist am Rande einer solchen Siedlung. Dort gibt es dann auch mal ein Café. Kneipen und Restaurants ergeht es nicht anders. Man trifft sich dann in einer Mall oder in einem Market.

Wenn man dann doch mal irgendwo nett unterkommt, dann stichelt der berlingewohnte Schlonzfanatiker in mir gleich wieder los. Alles aalglatt, wie in Mitte oder am Savignyplatz. Das Problem: Die Menschen haben keine Tradition des Ausgehens. Und diejenigen, die jetzt gehäuft ausgehen, haben Geld. Diejenigen, die Geld haben, müssen das auch zeigen. Also ist alles neureich und mit der Seele des Geldes gepflastert.

Klargeworden ist mir das, als ich das erste Mal durch Old Delhi geschlendert bin. Old Delhi ist klein, eng und zum Teil sehr stickig. Viele Menschen, viele Motorräder, viele Fahrradrikshaws, viel von allem. Aber keine Hektik und keine Aggression. Gibt es einen Stau, warten alle geduldig. Kein Vordrängeln und das Hupen hält sich in Grenzen. Die Häuser sind klein, aber keine schnell hochgezogenen, gleich oder teuer aussehenden Kaninchenställe. Alles ist hier organisch gewachsen. Die Menschen verbringen ihren Tag mit mehr als purem Geldverdienen.

2 Comments

  1. Pingback: Die Begeisterung, geschluckt vom Relativismus. – miss sophie

  2. Liebe Miss Sophie,

    eine Weile verfolge ich jetzt schon Deine Einträge zu Indien und Delhi, denn es ist immer interessant, wie Neuankömmlinge auf die Stadt und das Land reagieren. Heute nun muss ich mit einer Nachfrage und einem Kommentar reagieren.
    Würdest Du heute, gut einen Monat nach Deinem Eintrag, dasselbe über New Delhi sagen?
    Wie Du richtig angemerkt hast, wurde NEW Delhi erst vor wenigen Jahrzehnten, zwischen 1911 und 1931, von Lutyen neu entworfen, das heißt vor allem die Gegend um Central Secretariat und Connaught Place. Delhi als Stadt hat jedoch eine lange Geschichte, und das schließt Süd-Delhi (oder: New Delhi) mit ein. Was wir in der Gegenwart vor Augen haben, ist die achte Version der Hauptstadt Delhi. Eine Stadt als Palimpsest, in der die historischen Ebenen, die sieben Vorläufer, an vielen Ecken mehr als nur durchschimmern.
    Sicherlich gibt es südlich vom CP, allen voran im Regierungsviertel breite Boulevards, saubere Wege, gepflegte Rasenflächen und viele hohe Mauern und Zäune. Das muss keine Schande sein. Das ist in Indien hart erkämpft. Doch um so südlicher man kommt, um so mehr löst sich die scheinbare, die künstliche Ordnung zugunsten von Straßenlabyrinths, illegaler Siedlungen und ehemaliger “Karawanseraien” (erkennbar in Bezeichnungen wie Sheikh Sarai, Ber Sarai, Lado Sarai etc.), die im Laufe der Zeit zu festen Wohnsiedlungen wurden, wieder auf. Hier wurde nicht auf dem Reißbrett kreiert, sondern hier wuchs organisch zusammen, was mal mehr mal weniger zusammen gehört(e).
    Dass Süd-Delhi ein lebender Organismus ist, sieht man ebenfalls an Beispielen wie Hauz Khas Village, wo moderne Wohnhäuser neben Ruinen einer alten Madrasa aus Mughal-Zeiten einen Platz gefunden haben. Vergangenheit und Gegenwart verbinden sich dort harmonisch.
    Delhi ist ein rauhes Pflaster. Rücksicht und Freundlichkeit gehören nicht unbedingt zu den hervorstechenden Eigenschaften der Delhiites im Straßenalltag. “The roughest city in India” wurde sie erst kürzlich in der ToI genannt. New/Delhi: Riesen Metropole, Moloch, in ihrer Gesamtheit keine Schönheit. Aber doch, so finde ich, voller Seele.

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