Manchmal denke ich, es kommt alles von Edward Hopper. Aber den Part werd ich irgendwann nochmal in einem Post über Intuition abhandeln. Hier geht es um Bedeutungen. Und das, was Bildbearbeitung an Bedeutung in ein Bild hineinlegen kann.
Die Kontraste und Schwarz. Die Kontrastfaszination war schon vorher da. Klamotten zum Beispiel. Ich werde nie verstehen, wie Menschen ernsthaft – sagen wir – eine sandfarbene Jacke zu hellblauer Jeans anziehen können. Da gibt’s doch garantiert noch irgendwas anderes im Schrank. Aber nun gut…
Kontraste. Das Schwarz, das Dunkle, die Schatten. It serves poetry.
Die Hausecke hier zum Beispiel. Nr. 1 kam so aus der Kamera. Nr. 2 ist das, was nach der Bearbeitung als Äußerung steht. Das Haus steht irgendwo in der Kopenhagener Straße. Es ist saniert. Weiß. Sauber. Farben bringen nur die wenigen vorhandenen Gardinen und die Blumen auf den Balkons. Der Tag, an dem ich das Haus photographierte, muss einer der ersten Frühlingstage im März 2009 gewesen sein. An der Kohlenquelle saßen Menschen draußen. Die ersten Blüten reckten ihre Hälse in die Luft. Das graubraune Unterholz entlang der S-Bahn-Strecke wurde erfolgreich von grüner Wiese durchzogen. Aber der Winter war noch da. In den Knochen. Über dem Schal. Im Herzen. Das in einer Stadt, die ihr Grau nie vollständig ablegen kann. Und Grau meint hier alles, was keine porentiefe Reinheit verheißt. Aalglatt wird es nie geben. Auch wenn der stete Versuch da ist.
Das Ausgangsbild ist viel zu stark belichtet. Selbst die Schatten der Dachrinne drohen, sich im Weißgrau des Himmels und der Häuserwand aufzulösen. Die Reflektion des Gehweges ist kaum wahrnehmbar. Zu technischen Aufnahmedetails brauche ich nicht viel mehr sagen. Ich habe damals noch komplett auf Automatik photographiert.
In der Bearbeitung (mit Lightroom). Ich habe das Bild auf Graustufen eingestellt. Viel Schwarz dazu und mit Aufhelllicht wieder dagegen gearbeitet. (Zumindest bei den Bildern aus der Canon AS1000 kommen hier oft großartige Körnungen hinein.) Den Kontrast hoch. Bei den Tonwerten vor allem die Schatten stark verdunkelt. Die Farbgebung dann über Split Toning rein. Ein dreckig-dunkles Gelb in den Lichtern. Ein dreckig-dunkles Rot in den Schatten. Beides mit wenig Sättigung. Dem unteren Bildrand via Verlaufsfilter die Helligkeit rausgenommen und die Klarheit verstärkt. Ich hatte kein fertiges Bild im Kopf, bevor ich loslegte. Viele Schritte sind Standardprozeduren, die fast jedem meiner Bilder widerfahren. Die Farbgebung war ein Spielen und Ausprobieren bis mein Bauch mir sagte, dass es jetzt gut sei.
Und jetzt? Jetzt kommt ein bisschen “der Autor liest seinen eigenen Text”.
Bei Hopper steht für mich das Schwarz in seinen Bildern für das um die Ecke wartende Unheil. Die hellen Blickpunkte ein an der Oberfläche Sichtbares. Die dunklen Ränder und Ecken eine Wahrhaftigkeit. Sie verheißen nichts Gutes. Ziehen die Oberfläche mit sich. Stellen alles in Frage und den Horror nicht in die dunklen Ecken, sondern in die hellen Oberflächen.
Die hervorstechenden, grellen Kieselsteine des Gehweges legen sich auf die Fassade. Bohren sich in die Spiegelung. Das Vergilbte ist all das, was dieses Haus derzeit vielleicht nicht ist, zumindest an der Oberfläche, aber vielleicht irgendwann sein wird, zumindest an der Oberfläche. Heruntergekommen. Jetzt oder später oder nie.
Ein weiteres Beispiel dieser Art hat Martin von visuelleGedanken neulich bei kwerfeldein beschrieben. Sein Bild ist ein “fantasyartiges Foto” eines Parksees.