die katrin

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Der Interpret und sein kleiner Penis.

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Wir schreiben das Jahr 2007. Ein Philosoph beschäftigt sich mit der Frage, inwiefern Kunstwerke ethischen und moralischen Beurteilungen unterliegen können. Über dieses und jenes kommt der Philosoph auf die Frage, wie man von einem Stück Papier mit Buchstaben drauf oder einem Stein in einer bestimmten Form behaupten könne, es würde z.B. Traurigkeit “ausdrücken”.
Die Antwort: Der Künstler legt diese Traurigkeit in die Buchstaben oder Formen der Steine. “Abgeleitete Intentionalität” nennt sich das bei den Philosophen. Ein paar von euch werden wissen, wieviele meiner Zehennägel sich an diesem Punkt mit lautem Bling! aufgerollt haben. Und weil ich gerade ein leckeres Stracciatella-Eis hatte, bin ich in bester Stimmung für ein bisschen Philosophengebashe.

Nun könnte ich besagtem Philosophen (es tut übrigens nichts zur Sache, wen ich konkret lese, das geht mir hier ständig so), ich könnte nun also dem Philosophen zu Gute halten, dass er sich mit dem Gesamtprozess “Künstler werkelt -> Kunstwerk ist da -> Rezipient rezipert” beschäftigt. Dumm nur, dass er das aber gar nicht macht. Unser kleiner Philosoph fragt nämlich nach den Zuschreibungen, nach den Bedeutungen, die ein Rezipient in ein Kunstwerk hineinlegt. Damit ist er bei der Relation Kunstwerk-Rezipient. Und der Zuschauer/Leser/Betrachter kann sich auf den Kopf stellen und dabei drei Mal im Kreis drehen, wenn er mit dem Kunstwerk alleine ist, ist er mit dem Kunstwerk alleine. Jegliche Autorintention, die er dann glaubt, im Kunstwerk zu sehen, hat er selbst hineinlegt: der Rezipient, nicht der Autor/Bildhauer/Maler/whatever.

Jetzt will ich dem Künstler an sich gar nicht groß zu nahe treten. Da denkt sich schon jeder seinen Teil, wenn er an Schrift/Bildern/Photos bastelt. Und der Künstler an sich ist durchaus in der Lage eine Sprache zu wählen – so er denn will -, mit der der Leser /Zuschauer/Betrachter etwas anfangen und verstehen kann. Klar. Sonst wäre das ingesamt mit unserer Kommunikation ja alles etwas hakelig.

Ich will jetzt auch gar nicht groß dafür argumentieren, dass der Leser den Autor beim Verstehen nicht braucht. So manches Mal ist das ja durchaus hilfreich. Der springende Punkt ist der, dass permanent Leute zuerst(!) nach dem Künstler und seiner Intention fragen. Und jedes Mal möchte ich ihnen entgegenschreien: Denk doch selbst nach! Oder hat dein Hirn das Fassungsvermögen einer Spinne? (Entschuldige, liebe Spinne) Deine Ehrfurcht vor dem achso genialen Künstlergenie gleicht Mann’s Untertan. Es ist zum Kotzen, wie sehr du dich selbst in den Schatten stellst.

Weshalb der Hinweis auf das Jahr 2007? Das gesamte vergangene Jahrhundert war voll mit Texten, Manifesten und Aufsätzen dazu, weshalb die Frage nach der Autorintention bei der Interpretation künstlerischer Werke nur bedingt bis gar nicht hilfreich ist. Die gesamte Geisteswissenschaft beschäftigt sich seit mindestens 50 Jahren mit der Rezipientenseite. Nur ein kleines Dorf im Norden… Ausgerechnet die Disziplin, die sich als Mutter- und Metawissenschaft aller anderen Disziplinen begreift, hält es nicht für nötig, über den eigenen Tellerrand zu gucken. Und stolpert 50 Jahre nach allen anderen immer noch flächendeckend über Probleme, die keine mehr sind, weil es bereits Antworten darauf gibt.
Und ja, ich weiß, dass auch in den Literaturwissenschaften noch genug Leute in die Autorfalle tappsen. Das macht das alles aber keinen Deut besser.

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