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Sexismus, der eigentlich etwas anderes ist.

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Mspro hat dieser Tage mal wieder das gemacht, was er so richtig gut kann: eine steile These aufstellen, die an der Oberfläche übers Ziel hinaus schießt, aber in seiner Provokanz hoffentlich jeden zum Nachdenken bringt, ob da nicht doch was dran sein könnte. Er nahm einen Leserbrief aus der Frankfurter Rundschau zum Anlass, die one-way-Gender-Debatte bzgl. der Piratenpartei in Frage zu stellen.
Die Autorin des Leserbriefs, Mely Kiyak, stellt ohne große Scheu ihre (vermeintlich) persönliche Ansicht dar, wonach die Piraten im Großen und Ganzen einfach nicht gut genug aussehen, um als (Hetero-)Frau da mitzumischen. Mspro schließt nach einer kurzen Beobachtung, dass er so etwas auch schon gehört hat, mit der Frage: “Sind die Piraten für manche viele Frauen uninteressant, weil sie die männlichen Mitglieder nach ihrer sexuellen Attraktivität beurteilen?”

Das Problem ist nicht, dass Mspro diesen Satz schrieb. Das Problem ist, dass er damit einen wunden Punkt offenbart. Denn ja, es gibt jede Menge Sexismen auch unter Frauen und von Frauen ausgehend, und zwar nicht nur bei den Heterofrauen. Interessant ist an dieser Stelle nämlich auch wieder der feministische Beißreflex. Anstatt der Realität ins Auge zu blicken (ja, es gibt die Sexismen unter Frauen) und die theoretischen wie praktischen Konsequenzen daraus zu ziehen (die zu Grunde liegenden Diskriminierungsmechanismen zu erörtern und alle in ein Boot zu holen), wird derjenige angegangen, der an den Mauern des eigenen Horizonts kratzt.

Dem zu Grunde liegen m.E. nämlich das, was ich gerne mit Schönheitsidealen und dem Umgang damit bezeichne. Es geht um die Beurteilung von Menschen nach ihrem Aussehen bzw. der in unserer Gesellschaft fest verankerten Überzeugung, dass man vom äußeren Erscheinungsbild auf hierzulande so wichtige Qualitätsmerkmale wie Intelligenz, Leistungsfähigkeit, passables Auftreten in der Öffentlichkeit, sexuelle Potenz etc. schließen könne. Und dass dies Grundlagen für jede weitere Interaktion mit anderen Menschen sind. Und dass das ALLE betrifft.

Nicht Neues soweit. Aber ein Punkt, der mir gerne mal fehlt, wenn ich mir Feminismus- und Gender-Debatten so angucke.

PS: Meine Antwort auf die Frage lautet übrigens: Beides. Sehr schön ist in diesem Zusammenhang übrigens “How to encourage Women to Linux“, in dem die Erfahrungen der Frauen im IT-Bereich nur beispielhaft für alle andere Bereiche unserer Gesellschaft sind. Es empfiehlt sich, nach der Lektüre mal zu überlegen, wie und wo analoge Mechanismen aus Männerperspektive am Werke sind. Und aus Migrantenperspektive. Und aus Unterschichtsperspektive. Und aus Oberschichtsperspektive. Und …

5 Comments

  1. Danke Dir für den Post! Habe mir gleich auch noch den “How to encourage Women to Linux” reingezogen. Sollte jeder männliche Geek (zähle mich dazu) mal tun.

    Bin leider beim PS gestolpert. Könntest Du mir bei “Meine Antwort auf die Frage lautet übrigens: Beides” auf die Sprünge helfen? Bin mir nicht sicher, was genau gemeint war. Könntest Du die Frage (nehme an “Piraten zu unattraktiv für Frauen?”) und die beiden Antworten darauf noch mal stichpunktartig beschreiben?

    Danke :-)

  2. (Sollte ich vllt. häufiger machen um zu gucken, wen welche Themen interessiern ;).)

    Die Frage ist eigentlich das, was die gesamte Teildebatte ausmacht. Und zwar: Kann man nur den Männern die Schuld am Frauenmangel zuschreiben, oder sind auch Frauen aus diversesten Gründen für dieses Phänomen verantwortlich?
    Und dann eben die Antwort: beides.

    Der Link zum “How to …” soll quasi die weibliche Perspektive der Antwort erläutern. Zeigen, was tatsache für die Frauen schief läuft und wo man auch gar nicht groß drumrum diskutieren braucht. Und Pt. 2 ist der, dass ich sage, dass andere den gleichen Mechanismen unterworfen sind.

    Und im Grunde geht’s mir auch immer wieder darum zu sagen: Feminismus schön und gut, aber es gibt da noch ein paar andere gesellschaftliche Gruppierungen, die Diskriminierungsmechanismen unterworfen sind. Und wenn ich mir z.B. die Situation von Asylanten anschaue oder die HartzIV-Mechanismen, dann kommt mir die Frage nach Frauen in Führungspositionen schonmal wie ein Luxusproblem vor.

  3. Also erstmal danke für die Klärung. Now I got it! Und alles, was Du geschrieben hast, ergibt Sinn :-)

    Die Suche nach den Verantwortlichen (Männer? Frauen?) ist ohnehin immer eine schwierige, denn sie endet mit Schuldzuweisungen und verhärteten Fronten, deshalb finde ich es immer brenzlig, wenn das geschieht. Dann ist es nämlich meistens zu spät. Deine These beinhaltet, wenn ich es richtig verstehe, dass dies im Feminismus leider häufiger der Fall ist und die Schuld leider zu oft nur bei den Männern gesucht und es sich damit zu leicht gemacht wird.

    Mag sein. Passt zu meiner Auffassung, dass wir als Gesellschaft, in der sich gleichermaßen Frauen wie Männer wiederfinden, gemeinsam die Verantwortlichen sind, was sich wiederum in mspros Meinung widerspiegelt, der in einem der Kommentare schreibt: “wenn überhaupt kann man feststellen, dass die Gesellschaft als ganzes Sexistisch ist.”

    Doch Stopp! Hat man das einmal erkannt, dann ist es allzu verführerisch zu glauben, man stehe über der ganzen Debatte und tauche deshalb nicht mehr so tief ein. Ich denke, dass auch manche Piraten dieser Verführung erlagen. Ob nun Luxusproblem oder nicht, es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und JA es spiegelt sich deshalb natürlich auch in der Piratenpartei wider. Klar, das heißt nicht, dass Piraten an ihrem Äußeren etwas ändern sollen, aber vielleicht liegt der niedrige Frauenanteil ja trotzdem an irgendwas, was mit den männlichen Piraten zu tun hat?

    Ich finde es falsch, wie Herr Nerz es getan hat, zu behaupten, das Problem sei keines und die Frauen würden von sich aus lieber im Hintergrund arbeiten. Da muss ich sagen, ist eine Sensibilisierungskur notwendig.

    Und ganz sicher ist es nicht das einzige Thema bezüglich dessen die Piraten eine Sensibilisierungskur nötig hätten, ABER HEY, sie stehen noch ganz am Anfang und entwickeln sich und warum sollen wir da nicht optimistisch sein? Ich bin es jedenfalls, denn die Piraten haben auf Grund ihrer Offenheit sehr gute Voraussetzungen dafür.

    Mely Kiyak hat frei Schnauze geschrieben, unüberlegt, emotional, möglicherweise voller weiblicher Sexismen. Sehr gut! Wahrscheinlich brauchen wir hin und wieder solche Beiträge, damit Diskussionen in Gang kommen, welche die Schwachstellen im Umgang miteinander offenlegen. Frau Kiyak hat da ebenso noch Spielräume in der Schärfung ihrer eigenen Wahrnehmung wie der ein oder andere Pirat.

  4. das kann ich in allem einfach nur noch unterschreiben :).

  5. Hi, ich weis zwar nicht, wie du darauf kommst, aber woher kommt deine Schlussfolgerung des “feministischen Beißreflexes” anhand dieses Artikels. Mal abgesehen davon, das es so etwas gar nicht gibt, da dies ja eine verkürzte Einschätzung von feministischen Strömungen wäre bzw. deinerseits sehr subjektiv ist. Ausgehend vom Feminismus könnte man derartiges vielleicht grob im Zusammenhang mit diversen Strömungen bzw. Definitionen von Sexismustheorien in Verbindung bringen.
    Als ich den Artikel gelesen habe, fiel mir sofort auf, das es hier weniger um das zur Schaustellen von Ansammlungen von zotteligen Typen geht. Vielmehr nahm ich den Text als „ich versuch mich mal verbalradikal lustig über die Piraten zu machen“ wahr. Wenn ich anfange diesen Text unter sexistischen Aspekten zu analysieren, würde mir als erstes doch die Wortwahl dessen auffallen, das man sich selbst und alle anderen Frauen als Mädchen deklariert. Das bedeutet für mich, das sich die Autorin als Frau überhaupt nicht wahrnimmt. Zitat:

    Kein Wunder, dass keine Mädchen bei denen mitmachen.

    Das impliziert wiederum eine Herabstufung, die sie auf andere projeziert, nämlich die der schwammigen Typen. Daraus folgt für mich die Schlußfolgerung der doppelten Unterdrückung, einerseits die aus den hervorgegangenen Sexismen soziologischen/gesellschaftlichen Ursprungs und die der reproduzierenden Sexismen, die man dann auf andere Menschen anwendet. Ist denn die Anspielung körperlicher Merkmale, die nicht der Modeindustrie entsprechen gleichsam sexistisch, wenn sie von Frauen zu Frauen übertragen werden?
    Andererseits könnte dieser Text auch gleichgestellt werden mit der These „Nach oben buckeln und nach unten treten“. Das würde mir wiederum diese Aussage :

    Kriegt Ihr Stütze oder werdet Ihr von Euren Eltern gesponsert? Ich rackere mich mit meinen Texten ab, und Ihr wollt dafür nicht bezahlen? Spinnt ihr? Schon mal was von Copyright gehört? Das Recht auf Eigentum ist ein Menschenrecht! Wer soll denn für die Verbreitung meiner Texte bezahlen?

    bestätigen. Woher dann aber diese Anspielung auf “feministische Beißreflexe” kommt, bzw. dies als Kritik an Feministischen Gruppen „Anstatt der Realität ins Auge zu blicken (ja, es gibt die Sexismen unter Frauen) …“, ist mir nicht ganz klar, in diesem Sinne Das Recht auf Eigentum ist ein Menschenrecht! ????

    Spinnt die?

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