Seitdem der Bundestag das Leistungsschutzrecht hat durchgehen lassen und Sascha Lobo seine flammende Rede darnieberschrieb, geht auch mir wieder vermehrt durch den Kopf: Wie würde ich meiner Mama oder meiner Oma oder einem eher konservativen, aber dennoch freiheitsliebenden Freund aus England erklären, was denn nun genau das Problem ist?
Das ist gar nicht so einfach. In Blitzgeschwindigkeit rauschen Stichworte und übliche Entgegnungen wie “Aber mich betrifft das ja gar nicht!”, Aushebelung des Grundgesetzes und freiheitlicher Grundwerte und -rechte, Politikverdrossenheit, dem dann doch irgendwie vorhandenen tief sitzenden Glauben daran, dass die Polizei und die Politik die braven, guten, rechtgläubigen Bürger nicht weiter behelligen werden, abstrakte Technik, weit weg von der Lebensrealität vieler Menschen, und dann doch wieder nicht, wenn ich jeden Tag mein Handy anhabe und meine Emails lese, Polizeistaat, Rasterfahndung, Funkzellenabfrage, Fluggastdatenübertragung, kapitalistische Elitenpolitik, illegale Downloads, “Ja, aber das ist doch auch gegen das Gesetz!”, neue Geschäftsmodelle, veränderte technische und kulturelle und eben auch ökonomische Strukturen – all das und noch viel mehr rauscht im Nanosekundentakt durch mein Hirn.
Es ist ein Kuddelmuddel mit vielen Fragen. Wann und wie betrifft es mich? Oder diejenigen Menschen, die das Internet für Skype mit den Kindern und zum Buchen der Urlaubsreise nutzen? Wie nutzen unsere Eltern oder Großeltern überhaupt das Internet? Und ich? Was genau ermöglicht eigentlich die bundesrepublikanische Verfassung im Alltag? Ist die standardmäßige Funkzellenabfrage in Berlin irgendwie relevant für meine Nachbarn, die ihr Kind morgens in die Kita bringen, dann auf Arbeit oder Arbeitssuche gehen, abends den Fernseher anschalten, morgens das Radio, am Wochenende in den Park gehen, an Ostern ihre Familien besuchen, im Sommer in Urlaub fahren, … Wo betrifft das meine Nachbarn? Wenn ihre Telefonnummer eine von zigtausenden in einer Liste ist? Sehr wahrscheinlich eine Art Karteileiche. Und halten sie es vielleicht für ein notwendiges Übel, dass ihre Daten miterfasst werden, wenn doch damit ein paar Verbrechen aufgeklärt werden können? So wie so viele von uns freiwillig ihre Daten bei zig Internetdiensten hinterlassen und die Werbung gern in Kauf nehmen für den kostenlosen Dienst. Solange… Ja, solange was? Solange es nicht allzu creepy wird? Solange eine bestimmte Balance zwischen ‘anbieten’ und ‘nutzen’ gewahrt bleibt? Aber wie wird diese Grenze bestimmt? Und wo sind die Grenzen, deren Verlauf wir alle schleichend verändern, weil Zusammenleben Kultur ist und Kulturen aus Konventionen und Übereinkünften bestehen, jeden Tag neu gelebt und neu verhandelt.
Ich würd jetzt gerne mit einem “Heureka! Das ist der Weg und das ist mein Beitrag dazu!” enden. Den seh ich nur grade nicht. Aber den muss ich auch gar nicht alleine finden.