die katrin

my photography & other stuff

12. January 2011
by miss sophie
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paint the town in weiß und laub.

Es war kalt. Der Winter kündigte sich schon an, während wir noch auf einen letzten warmen Tag warteten, die Hoffnung nie aufgebend. Es sollte ein Tag mit vielen Menschen und einer Reise in die Vergangenheit innerhalb der Schluchten der Gegenwart werden. Wie immer kam alles ganz anders. Es wurde eine Reise durch ein Grenzgebiet, das in seiner herbstlichen, spröden Art einen Kleinstadtflair versprühte.

paint the mehringplatz

12. January 2011
by miss sophie
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Ein Photo und seine Erzählung.

Ich lege nicht meine Emotionen in die Bilder. Die Bilder erzählen mir von meinen Emotionen.

Das was am Ende entsteht, das, was ich am Ende nach draußen gebe, ist Ausdruck meiner Selbst. Verlängerter Arm meiner Gedankenwelt. Symptom meiner kognitiven Beschaffenheit. Lesbar. Interpretierbar. Anwendbar. Von mir auf mich.

Nicht das Bild alleine ist es. Erst in Relation zu den anderen Bildern im Auswahlprozess erhält es seinen Status, kann das Bild wirklich anfangen zu erzählen. Plappern tun sie alle ein bisschen. Es ist eine Kakophonie des Visuellen. Mal 20, mal 300 murmelnde, grummelnde, lachende, kichernde, summende, klingende Bilder. Ein Wort, eine Geste, ein Stern. Das Scheinwerferlicht erhellt die Szenerie. In Farben getauchte Zahlen ziehen an meinem inneren Auge vorbei. Das Grauen hält Einzug. Schwarz. Schwarz. Schwarz. Für einen Moment der Blick auf die junge Dame, die sehnsuchtsvoll am Terrassengeländer steht. Hinter ihr die alte Frau, die ein Ausbrechen unmöglich macht und deren Zimmer in abgrundtiefes Schwarz gehüllt sind. Licht. Schwarz. Die Farben verändern sich, treten hervor und fangen an zu schreien. Es reißt seine Maske herunter und beginnt eine neue Geschichte zu erzählen. Ich reiche ihm ein paar weitere in Farben getauchte Zahlen, es beruhigt sich ein bisschen, erzählt aufgeregt weiter. Bis es nicht mehr kann. Bis es sich einen Moment hinsetzen möchte und ich denke: Ja, so soll es sein.

9. January 2011
by miss sophie
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Du sitzt da und fragst dich, was du machen würdest, wenn du auf nichts Rücksicht nehmen müsstest.

Mit was würde ich meine Zeit am Liebsten verbringen? Was soll Teil meines Lebens sein? Eine Sache hat es nicht auf den Zettel geschafft: an einer Universität studieren.

Eine Dekade geht vorbei. Volle 10 Jahre universitären Lebens liegen hinter mir. Ohne Abschluss. Ich höre auf zu einem Zeitpunkt, an dem ich merke, dass das Studieren an einer Universität keine Leidenschaft mehr in mir weckt. Zu einem Zeitpunkt, da die Uni, da meine Studienfächer keine Herausforderungen mehr für mich bieten. Der Weg ist das Ziel und ich habe mein Ziel erreicht. Ich weiß, was ich kann. Ich weiß, was ich nicht kann. Mehr muss ich niemandem beweisen.

Denn lange Zeit habe ich mich selbst damit motiviert, mir wenigstens zu beweisen, dass ich eine Sache wie dieses Studium abschließen kann. Aber wozu? Damit all die Jahre nicht umsonst sind? Um mir mit diesem Wisch namens “Zeugnis” Optionen offen zu halten, Wege offen zu halten, die ich sowieso nicht beschreiten möchte? Mit Menschen, die mich allein deswegen aus ihrem Radar ausblenden, weil ein Stück Papier zum Abhaken der Kreuzchen auf ihrer Vollständigkeitsliste fehlt, mit solchen Menschen möchte ich meine Zeit nicht auch nur ansatzweise vergeuden. Die Momente werden kommen, da ich diesen Schritt bereue. Ich weiß das. Es werden Jobs meinen Weg kreuzen und ich werde ihnen hinterherwinken, bei denen ich nur mit viel Selbstverleugnung den soeben geäußerten Satz vor mir selbst aufrecht erhalten kann. Aber das permanente Offenhalten aller Optionen ist einer der größten Krankheiten, die wir Menschen hier und heute haben. Ich schließe mit diesem Schritt Türen und werfe den Schlüssel weg. Es ist eine sehr große Tür und die, die weiterhin offen stehen, sind eher klein. Aber sie sind mit Regenbogen, Einhörnern, Teufelchen und Darth Vader beklebt. Ähmnaja… ihr wisst, was ich meine.

Aber in Zeiten wie diesen…? Denk doch mal an…! In diesen, unseren Zeiten werden nicht nur junge Menschen mit Angst vollgepumpt. Mach das, sonst passiert jenes nicht. Wenn du das nicht machst, dann… Oh wehe! Wenn ich an all die marktschreierischen Karrieremagazine denke, kommt mir das kalte Grausen. Und doch steht im Subtext all dieser Erfolgsstorys eines: Mach immer, was dein Herz dir sagt.

Und als hätte es diesen Wink nicht auch noch gebraucht, stoße ich just beim Schreiben dieser Zeilen über fotografiona’s Blog und ihr Ende in irgendeinem Businessnetzwerk. Sie arbeitet selbständig als Photographin. Das sogar erst seit einem Jahr, wenn ich das jetzt nicht falsch überlesen habe. Jeder Existenzgründungsberater würde wahrscheinlich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und schonmal die Schaufel fürs Berufsgrab aus der Kammer holen. Aber ich vermute mal, dass mit dem getöteten Businessnetzwerkaccount auch einiges an Druck und dieses permanente could-be wegfällt. Und wenn dieses could-be weg ist, kann man sich endlich auf das is und das will-be konzentrieren.

PS: Ja, ich habe mir das gut überlegt. Nein, auch ich kann nicht in die Zukunft sehen und 100%ig sagen, wie die Konsequenzen aussehen. Aber das kann auch niemand sonst. Ja, ich habe mit einer ganzen Reihe von Menschen darüber gesprochen. Nein, keiner dieser Menschen konnte einen Grund vorbringen, der meine Entscheidung geändert hätte. Und die geistige Freiheit, die ich seitdem in vollen Zügen genieße, sind mir Bestätigung genug.

PPS: Und jetzt mal Hand aufs Herz: “Langzeitstudentin und Studienabbrecherin”. Ich brauche sofort neue Visitenkarten…

4. January 2011
by miss sophie
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Der Rückflug.

Meine Damen und Herren,

der Mount Everest.

Muss ich mehr sagen?

Jadochklar. Kurz nach dem Start noch ein bisschen von dem Nebel, der unsere Maschine 1 Stunde später hat starten lassen. Mit dem Auge konnte ich den Himalaya schon sehen. Meine Kamera noch nicht. Alle Rädchen in Bewegung gesetzt. Nichts wollte so recht. Die Berge im Hintergrund blieben ein verschwommener weißer Streifen. Aber irgendwie auch egal. Der bloße Anblick reichte für diese Gefühlsmischung aus heller Aufregung und tiefer, innerer Ruhe. Beides ineinander verwoben und in diesem Moment alles andere als ein Gegensatz.

Richtung Pakistan dann kein Wölkchen mehr am Himmel. Endlich die weißen Gipfel auch auf dem kleinen Display. Den gesamten Flug über Zentralasien entlang freie Sicht.

Mehr von dem, für das ich immer noch keine Worte finde, auf ipernity. Dieses Mal in Originalgröße hochgeladen.

3. January 2011
by miss sophie
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Von Hamstern, Hasen und einer Dusche.

Bei Spreeblick gab’s ja neulich auch diese netten Jahreslistchen. Dort per Musikabspielgerätedokumentiersowieauslesefunktion zusammengestellt. Was gleich mal den Statistiker in mir zum Leben erweckte (oh, ich habe eine Vermutung, wer mich letzte Nacht vom Schlafen abhielt). Ich musste allerdings schon beim Tippen der ersten Buchstaben las leise vor hin schmunzeln. War doch der Scrobbler kaum die Hälfte des Jahres über an. Auf den kleinen Hamster hier in meinem Abakus ist auch kein Verlass mehr. Muss ich bald mal austauschen gehen. Und überhaupt. Soviel Radio wie ich höre, könnte ich auch gleich motorfm bitten, deren gesamte Playlist in meinen lastfm-account reinzuscrobbeln.

Kurzer Exkurs: Ist jemals eine Radiostation auf die Idee gekommen, für ihre Playlisten – die sie ja alle ins Internet stellen und sowieso für die GEZ zusammenbasteln müssen und die also sowieso in Datenbanken und ab hier wird’s langweilig – hat schonmal jemand ne API für seine Playlisten gebastelt, um die dann ernsthaft für andere Dienste nutzbar zu machen? Falls nicht, bitte liebe Radiostationen, das gibt’s als Neujahrsgeschenk an euch.

Zurück zum kleinen Hamster und der Jahresauslese. Lastfm verriet mir nun also, dass mein Top-Titel des Jahres 2010 “Will You Return” von den Avett Brothers ist. Ob der Doppeldeutigkeit, die dieses Lied auch im Jahresrückblick noch hat, muss ich genauso wie damals als ich diesen Song postete, auch heute wieder herzlich lachen. Ob der Asynchronität meiner Blogpostings, ob der kruden Zufälle, die mein krankes Hirn in Zusammenarbeit mit den dunklen Mächten der Welt tageintagaus so hinbastelt, ob der unzähligen Male, die ich wild hüpfend durch mein Zimmer und auf meinem Schreibtischstuhl tanzte.

Mindestens ebenso lustig, weil meiner inneren Liste diametral entgegenstehend, ist die Liste der Top-Künstler. Die Mighty Mighty Bosstones auf Platz 2? Ich kann bis heute keinen der Songtitel ausm Kopf aufsagen und wenn die irgendwo laufen würden, wär ich die erste, die fragen täte, wer das denn tolles sei. So ist das, wenn einem die gesamte Diskographie, ähm, geschenkt wird.
Und wegen Platz eins und dem verpassten epischen Konzert verdrücke ich jetzt nochmal kurz ein kleines Tränchen. Ihr kommt wieder, liebe Deftones, hört ihr! Und dann seid ihr bitte nochmal so episch, hört ihr! Danke.

1. Deftones
2. The Mighty Mighty Bosstones
3. Lostprophets
4. RJD2
5. Los Campesinos!
6. boysetsfire
7. Danko Jones
8. The Avalanches
9. The Rascals
10. White Rabbits
11. Beatsteaks
12. Turbostaat
12. The Subways
14. Ocean Colour Scene
15. The Hives
15. Kings of Leon
15. Sonnenallee
15. Kasabian
15. The Avett Brothers
20. Camera Obscura

Wo wir grad schon beim Thema Listen sind. Gestern auf der Zugfahrt das Buch von Malte Welding ausgelesen. Da gibt es nämlich auch ein paar Listen drin. À la: “Sie konsumieren zuviel Pornogaphie, wenn”. Die Antwortmöglichkeiten beinhalten u.a. “wenn Sie beim Ertönen des Windowsstartsignals eine Erektion bekommen”, “wenn Sie einer Frau den Penis in die Mandeln schieben und darauf warten, dass sie kommt” oder, mein Favorit in dieser Liste, “wenn Sie plötzlich rudimentär Russisch und Japanisch beherrschen”. Oder so Listen wie “Die Eskalationsstufen der Bindungsangst” oder “Sie haben den falschen Job, wenn”. Der Anti-Ratgeber, das dieses Buch laut Eigenaussage sein möchte, wird nun aber doch eins. Denn in Anti-Ratgeber steckt Ratgeber schon drin und bei aller Ironie steckt hinter Klischees und Stereotypen ja immer dieses kleine Fünkchen Wahrheit, weshalb allzuoft dann doch die Ratgeberverarsche selbst zum nervigen Ratgeber wird. Was eigentlich nur schade ist, weil es so offensichtlich unter die Nase gerieben daherkommt.

Grundsätzlich geht es um die Frage, wo und ob uns auf dem Weg in die Zukunft die Liebe abhanden gekommen ist. Oder vielmehr die Fähigkeit zu lieben und eine länger andauernde Beziehung aufzubauen. Beobachtungen garniert mit kleinen Anekdoten (der Hase!) und ein paar anderen Texten zum Thema als Topping. An vielen Stellen den Finger auf die Wunde gelegt. An einigen Stellen wie die Oma auf dem Eis am eigentlichen Punkt vorbeigerauscht, aber das gehört auch dazu und über irgendwas muss man ja auch noch diskutieren können. Wär ja schlimm, wenn sich alle einig wären. Details kann ich leider nicht mehr geben, mein Textstellen- ud Zitatekurzzeitgedächtnis ist nämlich eine einzige Katastrophe und das genaue Gegenteil meiner lieben Freundin J. Ich müsste das Buch jetzt nochmal von vorne lesen, um das rauszusuchen was ich meine. Meine liebe Freundin J. hingegen kann sich beispielsweise einen Film anschauen, nebenbei die Wohnung putzen, Emails beantworten, ihren Katzen den Bauch kraueln, Telefonate führen und den Briefkasten leeren und weiß am Ende dennoch alle wichtigen Sätze des Films auswendig. Und zwar auf Lebenszeit.

Aber wir waren bei Malte Welding ihm sein Buch. Was der Mann kann, ist Geschichten schreiben und beobachten und sich Gedanken machen. In welcher Reihenfolge auch immer. Ich plädiere also dafür, dass ihm demnächst jemand Geld dafür gibt, genau das zu tun. In einer Reihenfolge, in der Geschichten schreiben am Ende steht.

Und ich, ich richte mich jetzt in meiner neu gewonnen Freiheit ein, überlege, wo ich endlich dieses Scheißgeld für Neuseeland auftreiben kann und gehe jetzt erstmal duschen. Moin.

26. December 2010
by miss sophie
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Überholen ohne einzuholen.

Aller Entwicklung zum Trotz muss ich in diesem Land immer an meine Zeit in den 1980ern in der DDR denken. Stil und Qualität der Möbel, der Klamotten, der Fahrzeuge. Es dürfte einiges mit der Ästhetik zu tun haben. Da merkt man dann wohl auch den gemeinsamen Einfluss der UdSSR auf DDR und Indien. Indien und die UdSSR waren einstmals gute Freunde. Ich glaube, sie mögen sich auch heute noch, aber Indien flirtet mittlerweile lieber mit den USA. Aberwieauchimmer. Indien ist ein Schwellenland, das merkt man an allen Ecken und Enden.

Und dann gibt es diese kleinen Momente, an denen ich mir nur dachte: Wer ist hier eigentlich das Schwellenland? In Indien bin ich das erste Mal über ein Dual-SIM-Telefon gestolpert. Also ein Telefon, in das man 2 SIM-Karten reinstecken kann und diese auch gleichzeitig nutzen kann. Das ist zwar jetzt keine Neuheit auf dem deutschen Markt (danke, Google), aber mir sind die Dinger noch nie untergekommen. Und das Telefon, das ich in der Hand hatte, war zudem auch noch so geil gebaut, dass die zwei Tastenreihen rund um diesen Joystickpömpel den jeweiligen SIM-Karten zugeordnet sind. Taste links oben ruft Adressbuch von SIM1 auf. Taste dadrunter ruft Adressbuch von SIM2 auf. Da war ich kurz mal geflasht. Und mein indischer Kollege ebenso. Der allerdings ob der Tatsache, dass ich so ein Ding noch nie gesehen hatte. Schließlich komme ich ja aus dem hochtechnisierten Erste-Welt-Land.

tron filmplakat in hindi

Bei 3D-Kinos sieht die Sache ähnlich aus. Tron Legacy. Start in Delhi am 17. Dezember. Als ich das erste Filmplakat sah, bekam ich kurz ein feuchtes Höschen ob der Tatsache, dass ich nicht erst auf meine Rückkehr ins dicke B warten musste, um den Film zu sehen. Und der ganze Spaß auch noch zu indischen Preisen. Yeehaaw! Aber ich schweife ab. Es soll ja um Kinos gehen. Als ich also das Plakat sah, überlegte ich hektisch, wie möglichst schnell die Reservierung klarkriege. Für einen der zwei Kinosäle, die ich aus westlich-überheblichen und aus Berlin gewohnten Gründen erwartete. Ein Blick ins Netz brachte schnelle Entspannung. Allein die eine große Multiplexerkette PVR hat 6 3D-Kinos in Delhi und Umgebung. Und die zeigten den Film 4x am Tag. Großartig. So muss das. Und so verließ ich an meinem letzten Tag glückselig das Kino in die gleißende Wintersonne Delhis.

22. December 2010
by miss sophie
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Der Kondomwagen.

Ich hab keinen blassen Schimmer, wie das mit der sexuellen Aufklärung in Indien so aussieht. Ich kann nur vermuten, dass es mit der Sexualkunde an den Schulen nicht allzuweit her ist. Ich muss grade an eine indische Studentin, Bachelor 3. Jahr, denken, die relativ fassungslos davon erzählte, dass die meisten ihrer Kommilitonen (Männlein wie Weiblein) mit der Bezeichnung “Pädophilie” nichts anfangen konnten, als das Thema neulich im Kurs diskutiert wurde. Das sagt jetzt natürlich herzlich wenig über harmlosere Themen wie Sex, Schwänze, Sperma, Eisprung, Bienchen und Blümchen aus. Aber irgendwie musst ich dieses Detail hier dringend im Blog unterbringen.

Wie auch immer. Das einzige, was ich weiß und selbst erlebt habe, ist die Reaktion der durchschnittlichen anfangzwanzigjährigen Studenten, wenn das Thema eine sexuelle Note bekommt: Sie kichern, giggeln oder gucken verschämt auf den Tisch.

Insgesamt dürfte es aber wirklich nicht weit her sein mit dem allgemeinen Wissen über STDs. Alle Nase lang sieht man hier in Indien Männer, die sich am Sack kratzen. Und das mit einer Beharrlichkeit, die wohl nur teilweise auf Blasenentzündung, Pilze oder sonstige hygienebedingte Krankheiten schließen lässt. Zumal die Inder an und für sich ein sehr reinliches Völkchen sind. Aber egal.

kondomwagen

Aufklärung in Delhi findet wo statt? Auf der Straße. Natürlich, möchte ich fast ausrufen. Als wir am Sonnabend zum Yamuna River runtergelaufen sind, führte uns unser Weg an einem Wägelchen vorbei, auf dessen Anhänger ein großer Kasten mit Gucklöchern aufgespannt war. Die Gucklöcher gaben den Blick frei auf den innenstehenden DVD-Player, dessen Video Übertragungswege von Krankheiten und potenziellen Kindern erklärte. Alles, was in Indien Rang und Namen hat, hat seine Stimme und sein Gesicht hergegeben. Interessanterweise waren das nur Männer und das Ganze wurde als Comic umgesetzt. Wie genau die Story ging, weiß ich leider nicht. Aber im Anschluss gab’s Kondome gratis.

kondomwagen - video

22. December 2010
by miss sophie
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Irgendwas stimmt hier nicht.

Flucht. Ständige Flucht. Warten auf den Absturz. Der Lebensweg als Serpentine in den Bergen. Links der steile Abhang nach oben. Rechts der steile Abhang nach unten. Beide Seiten flüstern verführerisch meinen Namen. Jeder Versuch, ein paar Geländer anzubauen, scheitert. Rennen, Schlendern, ein bisschen liegen bleiben. Früchte am Wegesrand. Manche betrachte ich nur. Manche schaffen es in meinen Rucksack. Manche esse ich sofort und spucke sie wieder aus. Rastlosigkeit. Nur ein paar stille, leise Momente sind das, was sie sein sollen.

Der Teufel jagt die Seele. Meine Seele. Flucht. Ständige Flucht. Warten auf den Absturz.

18. December 2010
by miss sophie
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Der Weg des Internet. Eine Geschichte in Bildern.

Dinge, die ich an Indien sehr gerne mag: Die Infrastruktur von Stadt tritt an ihrer Oberfläche in Erscheinung. Da fährt man so mit dem Zug am Stadtrand entlang, raucht genüsslich seine Zigarette an der offenen Zugtür und sieht plötzlich vor sich über mehrere hundert Meter die Abwasserrohre über Land gehen. Wohnt halt keiner da, also warum sich den Stress geben und extra den Boden aufreißen. Oder Fernsehkabel. Wand aufreißen? Achwas, die Fenster sind eh nicht dicht oder im Zweifelsfall gar nicht eingebaut, dann kann da auch einfach das Kabel zum Dach lang gehen. Oder auch die Straße zur Metro. Da guckt plötzlich mittendrin ein Stück dickes Rohr mit so einem Drehdings aus der Erde. Kommt man leicht dran, wenn mal was zu basteln ist. Irgendwie so wird der Hase hier laufen. Recht pragmatisch halt.

Das ist jetzt keine Besonderheit von Indien, sondern wohl mehr ein Phänomen, das mit technischem Fortschritt und Stadtentwicklung zusammenhängt. Jehr weiter die Zeit voranschreitet und je größer die Menschenansammlung, desto mehr wird unter die Erde verlegt. Mit den Telefonleitungen in kleinen D ist das ja auch nicht anders gelaufen. Aber genug halbeindrittelgares, kulturwissenschaftliches Geseier. Kommen wir zu den absurd-lustigen Momenten.

Neulich bezog ich das Apartment der Portugiesischlektorin. Sie hat Internet. So richtig echtes. Ich also voller Vorfreude den Laptop aufgeklappt, den Strom für die Steckdose angestellt, dem Modem bei der Einwahl zugeguckt und … ja, nichts. Es wäre zu einfach gewesen. Nur weil das WLAN-Lämpchen leuchtet, heißt das nämlich noch lange nicht, dass die IP-Vergabe auch planmäßig vonstatten geht. Die Routermodemdiva möchte gebeten werden. Den Blumenstrauß hab ich mir gespart. Ein paar Mal an und aus schalten haben auch gereicht. Ich hab sie auch einmal kurz gestreichelt und direkt im Anschluss beschimpft. Und siehe da: Teh internet was back wiz me.
der weg des internet - der router

Zu den Streicheleinheiten zwischendrin gehörte selbstverständlich auch die sorgsame Pflege der besten Freunde der Routermodemdiva. Also gucken, ob auch alle Kabel richtig fest sind. Diese Bastarde lösen sich auch hier oft genug von selbst aus ihrer Verankerung. Das kleine Ding hier ist der Splitter. Warum die Dinger bei uns so riesig sein müssen, ist mir seit diesem Jahr ein einziges Rätsel.
der weg des internet - der splitter

Aber sei’s drum. Stecker festgezurrt und weiter zur Telefondose an der Wand.
der weg des internet - zur wand

So dachte ich zumindest. Das Kabel läuft allerdings über der Klimaanlage (hier liebevoll AC genannt; die Inder stehen übrigens total auf Abkürzungen, aber das nur am Rande) in Richtung Balkon. An diesem Punkt wollte mich die Hoffnung auf eine Telefondose noch nicht loslassen. Ich wunderte mich also standesgemäß, ob die Dose auf dem Balkon angebracht worden sei und wie absurd das denn nun wieder sei. Aber Dinge, die anders sind, sind bei mir grundsätzlich auf eine herzliche Weise absurd und an Absurditäten übertrifft sich Indien immer wieder. Mit der gemeinen Gattung “westliche Ingenieurslogik” kommt man hier nur selten wirklich weit.
der weg des internet - über den ac

Während ich also verwundert die Balkontür öffnete und dem Kabel folgte, dass zwischen Fenster und AC raushing, musste ich breit grinsen, mir selbst einen Schlag auf den Hinterkopf verpassen (ihr wisst, die Sache mit der Denkfähigkeit) und mit einem weiteren Schlag war mir alles klar: Natürlich! Telefonkabel waren zur Zeit des Hausbaus noch nicht vorgesehen (oder zumindest nicht für den alltäglichen Hausgebrauch) und deswegen auch nicht in den Hausbau eingeplant. Und alles, was danach kommt, wird provisorisch rangepappt. Und bleibt dann halt so. Ist ja auch ziemlich einfach und ohne großen Aufwand umzusetzen.
der weg des internet - am balkon vorbei

Und dann hatten Entdeckungslust und pure, fröhliche Neugier genügend Raum, den Rest des Weges zu erkunden. Der Gebäudekomplex hier besteht aus vier Teilhäusern. Zuersteinmal treffen sich alle Telefon-/Internetkabel unseres Teilhauses am ersten Mast, werden zweimal rumgewickelt und festgeknotet, damit’s auch ja hält.
der weg des internet - zum ersten treffpunkt

Von dort geht es weiter zum zweiten Mast. Dort kommen noch ein paar Kabel aus den anderen Teilhäusern zusammen. Hier finden die ersten Vorbereitungen für die große Party statt.
der weg des internet - zum zweiten treffpunkt

Am eigentlichen Sammelpunkt ist dann Zeit zum Ausgehen. Alle machen sich nochmal hübsch, stellen sich in ungeordneten Zweierreihen auf und verschwinden.
der weg des internet - zur großen sammelstelle

An dieser Stelle endete mein Weg des Internets. Weiter kam ich nicht. Vermutlich haben die Telefonmenschen dann doch irgendwo ein Loch gebuddelt.