die katrin

my photography & other stuff

Ein halbes Jahr.

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Ich mach das jetzt mal chronologisch. Seit Wochen sage ich tagsüber Sätze und Absätze vor mich her. Im Takt der Maschinen entwickelten sie ihren eigenen Rhythmus. Für jedes Aufnahmegerät war es zu laut. Vergessen waren sie des Abends. Und viel ist es. Zu viel. Zu vieles schon wieder vergessen. Vielleicht auch gut so. Wer weiß das schon.

mt eden

August. Auckland. Thames. Rotorua. Ankunft in Auckland. Die erste Woche völlig verschlafen. Die ersten Traveller kennenlernen. Mit ein paar Kiwi-Familien leben. Der Sonnenuntergang über der Bucht so wunderwunderschön, so friedlich, so bezaubernd, dass du weißt, du wirst nie wieder ohne Sehnsucht nach Berlin zurückgehen können. Als ich die ersten Male mit dem Bus gefahren bin – vorbei an den Buchten links und den Bergen rechts – musste ich weinen vor Freude. Es war dies die Zeit des Anfangs. Ich habe Berlin hinter mir gelassen, bereit in einem anderen Land mein Leben zu leben. Auf Probe wenn man so will, nicht so auswanderermäßig, nur für ein Jahr. Aber ich dachte mir, so müsse sich das anfühlen mit dem Auswandern. Nur das Heute und Morgen zählt. Die einzige Verbindung zu meiner Vergangenheit bin ich. Ich hatte ein unerschütterliches Vertrauen in die Dinge, dass das alles gut so ist. Dass alles gut gehen wird. Ich habe immer gehofft, dass der Spruch wahr ist: Das Glück ist mit den Reisenden. Wohl wissend, dass dies nicht allein bedeutet, nur den Ort zu wechseln.

the coromandel

Kuirau Park

September. Blenheim. Vineyards. Das Grapevine. Ein Hostel wie eine WG. Instantwohlfühlgefühl. Und eine Soap Opera sondergleichen. Die erste Affäre. Lange Zeit hatte ich mir Gefühle verboten. Ich wollte unbeschwert in die Welt hinaus wandern. Als ich hier ankam, wusste ich dass das schon gut so war. Ich fühlte mich frei und im Reinen mit mir selbst. Keine Rücksichtnahme, kein nichts, was sonst so alles an Verbindlichkeiten einer Beziehung mit auf Reisen geht. Und ich rede nicht allein von Monogamie. Da ist immer dieses kleine nagende schlechte Gewissen, dass der Liebste zurückgelassen ist, während man selbst auf große Abenteuerreise geht. Da ist immer wieder die Sehnsucht, der andere möge doch am liebsten hier sein. Nein, es ist gut, keine Liebe in Berlin gelassen zu haben. Die Freunde so weit weg zu wissen ist hart genug. Aber es ist umso besser, dass das jetzt vorbei ist.

Vineyard near Seddon

Oktober. Noch ein Schwupps Blenheim und der Rest Kerikeri. Sandfliegen, diese elendigen Mistviecher. Sehen aus wie kleine Fliegen, beißen sich in Armen und Unterbeinen fest, pieksen ein wenig heftiger als Mücken und hinterlassen als Andenken heftig juckende, große, rote Punkte. Dafür sind die Mücken um einiges nachsichtiger als ihre mitteleuropäischen oder indischen Kollegen. Das juckt ein wenig nach dem Biss und dann ist vorbei. Kerikeri war der fünfte Ort, an dem ich hier wohnte. Der fünfte Ort und immer noch kein besonderer Enthusiasmus für ein Städtchen. Dieses komische zwiespältige Gefühl gegenüber Neuseeland stellt sich so langsam ein. Ich bereue nichts, bin gerne hier und ich wüsste auch nicht, an welchem Ort ich derzeit lieber sein wollte. So viele Menschen, die ich hier kennenlerne, sind gute Menschen. Nicht alle natürlich, aber die lerne ich auch nicht kennen, die treffe ich nur. Aber zu vieles an diesem Land stimmt nicht. Es ist nicht das Paradies, dass die Expats in Coromandel hofften zu finden. Das ist es nur, wenn man die Augen vor der Realität verschließt und sich in seine kleine, grün-hügelige Welt einmummelt. Dennoch, immer wieder auch der Gedanke, dass es nirgendwo perfekt ist. Dass ich noch genug Zeit habe, andere Orte auf diesem Planeten kennenzulernen. Kerikeri auf jeden Fall. Ganz oben im Norden. Ein paar Wochen Liebesnest. Dann ist es vorbei. Zu viele Geister der Vergangenheit huschen warnend an mir vorbei.

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November. Christchurch. Mit meinem letzten Geld quartiere ich mich im Drifters ein. Meine Heimat für die kommenden drei Monate. Jetzt heißt es Job suchen, aber ernsthaft. Das neuseeländische Konto ist leer, das deutsche im Minus. Eine Plastefabrik ist es geworden. Machine Operator darf ich mich nennen. Ich stehe auf der einen Seite der Maschine und sammle die Plasteschalen ein, um sie in Kartons zu verpacken. Zwischendrin füttere ich die Maschine mit frischem Rohplastik, auf Rollen aufgebahrt. Wenn irgendwas schief geht, muss der engineer ran. Es ist ein Job mit viel Routinen. Wie schon auf den Vineyards, reih auf, reih ab. 50 Schälchen in den Karton, die nächsten 50 Schälchen in den Karton, zukleben, nächster, Palette um Palette. Es ist in beiden Fällen sehr erholsam. Wenn man seine Zeit nur in Schulen, an Unis und in Berlin-Mitte-Agenturen zugebracht hat, verliert man dann doch schlicht die Bodenhaftung. Egal wie sozialkritisch ich in den letzten Jahren unterwegs war, meinen Wein und mein Bier und all die Dinge aus dem Supermarkt habe ich dann doch immer völlig selbstverständlich hingenommen. Nie auch nur einen Hauch von Ahnung gehabt, wieviele Hände allein bei der Produktion der einzelnen Inhaltsstoffe beteiligt sind, ganz zu schweigen von dem ganzen Verpackungskram. Aber woher soll man das auch wissen. Vielleicht mal aus einer Sendung mit der Maus. Und selbst dann gerät sowas in Vergessenheit. Was will man mit solch einem Wissen auch anfangen? Anyways, es macht mich dennoch froh, dass ich so einiges mehr mittlerweile nicht mehr selbstverständlich benutze, sondern sehe, was ich da benutze. Der November in Christchurch bringt auch meine zweite Affäre. Sie wird eine Offenbarung für mich und birgt eine sehr interessante Freundschaft. Das Drifters hat ebenfalls großes Soap Opera Potenzial in sich. Wie das eben so ist, wenn viele Menschen längere Zeit auf engem Raum zusammenleben und sich jeden Tag sehen. Die Wochenenden sind gespickt mit Ausflügen. Banks Peninsula, Lake Tekapo, Hanmer Springs, Arthurs Pass. Im Januar folgen Kaikoura und nochmal Hanmer Springs. Mountainbiken im Hanmer Forest macht einfach zu viel Spaß. Es sind gute Wochen.

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Dezember. Christchurch, Dunedin, Queenstown. Die Ausflüge waren günstig, aber ansparen ist was anderes. Neben meinem Plastefabrikjob arbeite ich jetzt auch im Hostel. Sechs Tage die Woche 10-11 Stunden arbeiten. Am Tag bleibt vielleicht eine Stunde für mich, eine Stunde, die nicht für die Selbsterhaltung, Hygiene oder den Arbeitsweg draufgeht. Es zehrt. Und das waren nur ein paar Wochen. Immer wieder denke ich an die Menschen, die Jahre, jahrzehntelang so arbeiten, arbeiten müssen. Weil das Geld sonst nicht reicht. Weihnachten und das Jahresende rücken in großen Schritten näher. Keinem von uns wir dso richtig weihnachtlich ums Herz. Mir persönlich ist das ganz recht. Ich liebe die großen Essen in unserer WG, es waren immer besondere Tage. Aber das waren all die anderen großen Essen in unserer WG auch. Es ist wie mit dem Valentinstag. Ich brauche keinen speziellen Tag im Jahr, um mich darauf zu besinnen, dass ich gute Menschen im mich herum habe. Aber wenn schon alle so’n Fass aufmachen, dann kann man ruhig schon auch was Besonderes machen. Grillen am Strand zum Beispiel. Loch in den Sand buddeln. Große Baumstammreste als Gerüst für das Rost drauflegen. Noch ein paar Löcher für das Bier buddeln. Fertig ist das Strandbarbeque. Hier habe ich mich das erste Mal auch ins Wasser getraut. Viel zu kalt sonst. Ich bin ja mittlerweile echt so ‘ne Frostbeule geworden. Als kleines Kind haste mich mit der Angel wieder rausfischen müssen, weil ich freiwillig niemals nicht… Heute. Alles anders. Und dann überlegte ich die ganze Zeit, ob das mein erstes Mal Baden im Pazifik war. Ich konnte mich an keine andere Gelegenheit erinnern, nur daran, wie ich darüber schonmal getwittert hätte. Einbildung? Egak. Weiter geht’s. Tunnel Beach war auch der Hammer. Ist ‘n bisschen südlich von Dunedin. Parkst dein Auto an der Klippe und latscht erstmal ‘ne halbe Stunde den Berg runter. Kommst auf ner weiteren Klippe an und denkst dir: “Sie nennen es Beach. Hier muss irgendwo Strand sein?!” Und dann entdeckst du dieses Loch in der Erde, gehst drauf zu und entdeckst den langen Tunnelgang. Strandsand am Ende. Das muss es sein!

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Und dann kam das Rhythm and Alps Festival und ganz viel Gras. Und der Andi aus Berlin. Und Queenstown an Neujahr mit ganz viel Regen. Und die Game of Thrones Bücher. Es ist immer so, es gibt Bücher, die sind grade Hype und die lesen dann alle. Derzeit ist es Game of Thrones. Zu recht. Völlig zu recht. Und mir fehlen mittlerweile die Wörter. So viel schon wieder geschrieben. Der Januar war wieder wie der November. Arbeiten und am Wochenende raus. Kaikoura. Süßes Meeresörtchen mit Halbinsel zum drauf wandern und Wale und Seelöwen entdecken. Irgendwo ist hier auch noch das Walvideo vergraben.

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Udn jetzt sitze ich hier in Nelson, habe das Reisen vor mir, genieße die Pause. Pause von allem. Tief Luft holen. Kraft tanken. Ein bisschen was von dem Enthusiasmus erhaschen, der tief verborgen in mir schlummert.

6 Comments

  1. Nice. Bei den Bildern vom Lake Tekapo spontan ein bisschen Pippi inne Augen gehabt. Danke für den Einblick in den Ausblick!

  2. tunnel beach is witzig. gibt ne reihe schöne spots da unten.

  3. da werd ich gleich n bissl wehmütig. und so langsam müsst ich auch mal wieder reisen! geniess weiterhin die geile zeit da unten. auf bald mal wieder hier (daheim?!)

  4. Schöne Worte.sehr gerne gelesen,so wie den Rest auch.wünsche dir noch viele wundervolle Momente!

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